Nach dem Masters ist in der Regel vor der Chevron Championship. Die beiden ersten Majors des Jahres für Herren und Damen könnten von ihrer Charakteristik aber kaum unterschiedlicher sein. Und auch wenn die LPGA Tour bei ihrem ersten Kräftemessen des Jahres gerne von dem Vorbild aus Augusta abkupfert, so wurde gerade in diesem Jahr bei der Chevron Championship einmal mehr das Dilemma des Damengolfsports für jedermann sichtbar gemacht.
SCHLECHTE WERBUNG
Frauengolf hätte zweifelsfrei ein Riesenpotenzial, aber das erste Major des Jahres war offen gesagt die wohl schlechteste Werbung für diesen Sport, die man sich derzeit vorstellen kann. Langsames Spiel. Ein viel zu naher Grandstand am letzten Loch, wo gefühlt jede Spielerin hinschoss, weil es ohnehin einen Free Drop gab. Daraus resultierend lange Regeldiskussionen. Keinerlei Stars an der Spitze des Leaderboards. Ein langweiliger Platz. Kaum Zuschauer. Keine Atmosphäre … Gut, man war auch noch ein wenig vom Vorjahr verwöhnt, als die Weltranglistenerste Nelly Korda zum ersten Mal dieses Turnier gewinnen konnte. In diesem Jahr startete die hünenhafte Blondine aber mit einer desaströsen 77 (+5) ins Turnier. Nach einem Putterwechsel für Runde 2 kämpfte sich die 26-jährige US-Amerikanerin mit tschechischen Wurzeln zurück in den Cut und belegte am Ende noch einen versöhnlichen geteilten 14. Platz. Mit dem Sieg hatte Korda aber nichts am Hut und es wurde nur allzu deutlich, dass die Popularität des Damengolfsports viel zu sehr von ein paar wenigen raren Charakteren abhängt. Wenn Nelly Korda oder auch die Engländerin Charley Hull (verpasster Cut) nicht vorne mitspielen, sinkt der Spannungsgehalt sofort gegen Erdboden. Einzig US-Publikumsliebling Lexi Thompson, die eigentlich Ende letzten Jahres ihren Rücktritt vom professionellen Golfsport verkündete, aber bei der Chevron Championship zumindest drei Tage lang wieder vorne mitspielte, konnte das Herz der texanischen Fans ein wenig erwärmen.
FÜNFER-STECHEN
Am Ende trafen sich gleich fünf Spielerinnen (vier davon aus Asien) mit einem Gesamtscore von jeweils 7-unter-Par zum Stechen, um die Siegerin der diesjährigen Ausgabe der Chevron Championship zu küren. Bei aufkommendem Wind im Club at Carlton Woods in The Woodlands, Texas, wurden zuvor die Back Nine zu einem regelrechten Überlebenskampf. Besonders bizarr war der Lapsus, den sich die Thailänderin Ariya Jutanugarn auf dem 18. Loch leistete. Als Führende benötigte die zweifache Major-Siegerin, die in den letzten Jahren mit einer latenten Formkrise zu kämpfen hatte, auf dem Par 5 eigentlich nur ein Par zum Sieg. Sie donnerte wie die meisten ihrer Kolleginnen den zweiten Schlag in den Grandstand, von wo der Ball zurück ins Rough bouncte. Nach einer hastigen Vorbereitung auf den vor ihr liegenden Chip hackte die Thailänderin in den Ball, der sich gerade einmal zwei bis drei Zentimeter bewegte. Den Fans und auch Kommentatoren stockte der Atem. So etwas hatte man auf diesem Niveau wirklich noch nie gesehen. Jutanugarn ging mit Bogey vom Loch und fand sich in dem schon erwähnten Fünf-Damen-Playoff wieder. Dort konnte sie genauso wenig wie die einzige Nicht-Asiatin Lindy Duncan (USA), die Südkoreanerin Hyo Joo Kim und die Chinesin Raoning Yin (Letztere mit einem bitteren Drei-Putt) ihre Birdie-Chance nutzen. Der Weg war also plötzlich frei für die Japanerin Mao Saigo, die als Einzige die Nerven behielt und den Siegesputt lochte.

MIT KONSTANZ ZUM SIEG
Mao Saigo, die als geteilte Führende in den Finaltag ging, dort aber nur eine 74 (2 über Par) ablieferte, verdankte den Sieg ihren beiden Birdies am 18. Loch. Sie machten sie damit zur fünften japanischen Spielerin der Geschichte, die ein Major gewinnen konnte. Als sechsmalige JLPGA-Siegerin wurde Saigo dank ihres konstanten Spiels 2024 als Louise Suggs Rolex Rookie of the Year ausgezeichnet. Zu ihrem Siegesputt meinte sie im Anschluss: „Ich war nervös und total konzentriert zugleich. Ich konnte nur an den Ball vor mir denken. Ich konnte nichts anderes sehen. Ich zitterte vor Nervosität, aber ich versuchte, mich zu beruhigen. Ich schlug den Putt und der Ball ging rein.“
PANIK NACH SPRUNG
Nervenaufreibend war für Saigo auch der Sprung in den Teich, eine langjährige Tradition der Chevron Championship, da die 23-jährige Japanerin nicht schwimmen kann. „Es war beängstigend“, sagte Saigos Caddy Jeffrey Snow, der Teil einer zweiten Welle von männlichen Springern war, nachdem Saigo zunächst mit ihrer Managerin Rika Arai und der Fernsehreporterin Mitsuki Katahira ins Wasser gegangen war. Snow fragte Saigo in der letzten Runde, ob sie schwimmen könne, und sie verneinte. Keiner von beiden dachte jedoch, dass der Teich auf dem Nicklaus Course im The Club at Carlton Woods so tief sei. Was anfangs spaßig war, wurde für alle Beteiligten stressig, als die Frauen die Männer festhielten, um über Wasser zu bleiben. Snow und seine Mitschwimmer halfen den drei Frauen schließlich, sicher zum Dock zurückzukehren. Den meisten Zuschauern war zu dem Zeitpunkt gar nicht bewusst, wie panisch die Feier für die frisch gebackene Major-Siegerin geworden war. Was aber auch einmal mehr die Frage nach der Sinnhaftigkeit dieser Tradition aufwirft. Das Masters hat sein grünes Jackett, die Chevron Championship einen Bademantel.

POPPIE’S POND
Amy Alcott war 1988 die Erste, die den Sprung in „Poppie’s Pond“ (2006 zu Ehren von Terry „Poppie“ Wilcox nach ihm benannt) wagte, um ihren zweiten Sieg in Rancho Mirage zu feiern. 1991, als Alcott erneut gewann, wiederholte sie gemeinsam mit Turnierchefin Dinah Shore den Sprung, der in der Folge von allen weiteren Siegerinnen imitiert wurde. Ursprünglich ein sehr natürliches Wasserhindernis, wurde der Abschnitt neben dem 18. Grün im Mission Hills Country Club in der Nähe der Brücke später mit Beton ausgekleidet und verfügt seitdem über aufbereitetes Wasser, das eher einem Schwimmbecken ähnelt. Als das Turnier 2023 in den Club at Carlton Woods verlegt wurde, wurde die Tradition auch in The Woodlands übernommen. Der See zwischen dem 9. und 18. Loch wurde ausgebaggert, gereinigt und mit Netzen zum Schutz vor Alligatoren versehen. Am 18. Loch wurden ein Steg und eine Leiter errichtet. Vor dem Turnier 2023 äußerten mehrere Spielerinnen ihre Unsicherheit darüber, ob sie den Sprung wagen würden – nun in einen natürlichen See statt in das aufbereitete Becken in Mission Hills. Lilia Vu, Champion 2023, wagte den Sprung in den See und die Tradition lebt seitdem weiter.
ANLEIHE BEIM MASTERS
Das Erbe ist den Leuten hinter den Kulissen der Chevron Championship ohnehin enorm wichtig. So erzählte beispielsweise Glenn Weckerlin, der Chef des Turniers, dass die Servietten in den Hospitality-Suiten zu Ehren des Sprungs mit dem Bild eines Bademantels verziert seien. Wie kam das Chevron-Team auf die Inspiration für die Servietten? Sie ließen sich vom berühmtesten Golfturnier der Welt inspirieren. „Ich habe sie vor zwei Wochen in Augusta gesehen. Sie hatten darauf ein grünes Jackett abgebildet, also rief ich meine Leute an und sagte: ‚Hey, lasst uns ein Design für die Robe entwerfen.‘ Und wir haben es geschafft. Und wir werden die Traditionen weiter ausbauen.“

WIE ALLES BEGANN
Doch das geht nicht von heute auf morgen. Werfen wir daher einen kurzen Blick in die Geschichte des Turniers. Es wurde 1972 von der Entertainerin Dinah Shore und dem Colgate-Palmolive-Vorsitzenden David Foster gegründet und hat seit 1983 Major-Status. Von Anbeginn fand die Meisterschaft jährlich im Mission Hills Country Club in Rancho Mirage, Kalifornien, südöstlich von Palm Springs, statt. Nach über 20 Jahren Sponsoring durch Nabisco und deren Muttergesellschaft Kraft Foods wurde die japanische Fluggesellschaft All Nippon Airways Ende 2014 Titelsponsor des Turniers und benannte es in ANA Inspiration um. Im Oktober 2021 wurde ein sechsjähriger Sponsoringvertrag mit der Chevron Corporation publik. Dieser sah die Umbenennung in „The Chevron Championship“ vor, mit erhöhtem Preisgeld und dem neuen Austragungsort in Texas.
LPGA OHNE FÜHRUNG
Auch wenn man aus kaufmännischer Sicht die Entscheidungen der LPGA Tour nachvollziehen kann, so trugen sie nicht unbedingt zum nachhaltigen Wachstum des Events bei. Die mehrmaligen Namensänderungen im Laufe der Zeit durch wechselnde Sponsoren verhindern eine klare Identifikation mit dem Turnier. Der Wechsel des gewohnten Veranstaltungsortes im Jahr 2023 von Kalifornien nach Texas half ebenso wenig. Und das in einer Zeit, wo der Damengolfsport ohnehin nach einer medialen Anerkennung lechzt. Die LPGA Tour ist seit Januar de facto führungslos. Die bisherige Kommissarin Mollie Marcoux Samaan trat Anfang des Jahres zurück, seitdem läuft die Suche nach einer Nachfolgerin respektive einem Nachfolger. Interimistisch werden die Geschäfte von Liz Moore geführt, doch bevor keine langfristige Lösung gefunden wird, werden kaum neue Impulse gesetzt werden.
ASIATISCHES DILEMMA
Ein Riesendilemma spielt dabei auch die Dominanz der asiatischen Proetten auf der LPGA Tour. Von 81 Spielerinnen im Cut vertraten bei der diesjährigen Chevron Championship beinahe die Hälfte, nämlich 37, den asiatischen Kontinent. 14 davon stammten aus Südkorea, elf aus Japan und fünf jeweils aus China und Thailand. Neun weitere Spielerinnen aus den USA, Australien oder Neuseeland waren dabei ebenfalls asiatischer Abstammung. Nun kann man den Asiatinnen natürlich keinen Vorwurf machen, dass sie gutes Golf spielen. Im Gegenteil: Jeder Einzelnen von ihnen gebührt Anerkennung und Respekt. Für die Vermarktbarkeit des Damengolfsports im amerikanischen und europäischen Raum stellt diese Dominanz aber einen Supergau dar, sind die Athletinnen für das westliche Auge doch in puncto Aussehen und von ihren Namen nur schwer voneinander zu unterscheiden. An dieser Stelle kommt einem das Zitat der südkoreanischen Golflegende K.J. Choi in den Sinn. Als er im Jahr 2008 einmal gefragt wurde, was er denn zum Erfolg seiner Landsfrauen auf der LPGA Tour meine, sagte Choi: „Es ist schwer, den Überblick zu behalten. Zu viele Kims und Parks.“
DEUTSCHE HOFFNUNG
Man darf gespannt sein, wie sich die Szene weiter entwickeln wird. Aus unserer Sicht wäre es natürlich toll, wenn sich auch wieder internationale Erfolge deutschsprachiger Spielerinnen einstellen würden. Die derzeit beste deutsche TourSpielerin Esther Henseleit, die im vergangenen Jahr mit der Silbermedaille bei Olympia in Paris und mit ihrer Teilnahme beim Solheim Cup für Furore sorgte, war auch bei der Chevron Championship mit T18 bestplatzierte Deutsche. Ein kräftiges Lebenszeichen gab es auch von ihrer Landsfrau Sophia Popov. Die bislang einzige deutsche MajorSiegerin (Women‘s British Open 2020 in Royal Troon), die im Juni 2023 Mutter wurde, zeigte aufsteigende Form und landete in Texas auf dem geteilten 30. Platz.
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