Es ist die Sensation der bisherigen Saison: Der Eichenrieder Stephan Jäger gewinnt die Texas Children’s Houston Open auf der PGA Tour und holt damit seit Alex Cejka 2015 (Puerto Rico Open) endlich einmal wieder einen dicken Pokal für Schwarz-Rot-Gold nach Hause. Doch die Geschichte zu Stephan Jäger ist viel mehr als die Geschichte eines Sieges auf der PGA Tour. Es ist die Geschichte eines Teenagers, der nach Amerika ging, um die Golfwelt zu erobern, und es dann auch tat- sächlich tat. Es ist eine Geschichte mit vielen Aufs, aber auch Schicksalsschlägen, die Stephan Jäger zu dem gemacht haben, was er heute ist: Vater, Ehemann und auch ein wenig Profigolfer.
Stechen verschoben
Es war der helle Wahnsinn. Sogar die „Tagesschau“ berichtete vom Coup eines Bayern, der im letzten Flight im Duell mit der Nummer eins der Welt Scottie Scheffler die Nerven bewahrte und plötzlich als Sieger der Texas Children’s Houston Open feststand. Denn als sich Scheffler auf dem 18. Grün auf dem Memorial Park Golf Course darauf vorbereitete, seinen Putt aus knapp 2 Metern zum Birdie zu verwandeln, sah eigentlich alles nach einem Stechen aus. Doch als Scheffler verschob, war ein fast schon verdutzter Stephan Jäger PGA-Tour-Sieger. „In so einer Situation gehst du zu 100% davon aus, dass er den macht. Er ist ein supernetter Typ, ein unglaublicher Spieler, er ist die Nummer eins der Welt und lässt so ’ne Chance eigentlich nicht liegen. Ich bin aber auch nicht unglücklich darüber, dass Scottie den Putt verschoben hat“, so der frischgebackene Champion.
Unterstützung von oben
Den nötigen Schub, um das Duell mit Scottie Scheffler und den ersten Sieg durchzuziehen, bekam er in Houston übrigens gleich von zwei Seiten. „Mei- ne Frau Shelby hat zu mir gesagt: Gewinn das Ding doch einfach, und dann fahren wir nach Hause und dann zum Masters“, so Jäger. Und als er in der Früh den Ballmarker, der ihn an sei- nen Vater Klaus erinnert, aus der Tasche zog, bekam Stephan weitere Unterstützung. „Ich habe 3 Ballmarker. Einen für meinen Vater Klaus, einen für Fritz und einen für unseren Hund Phil. Vor jeder Runde greife ich in die Tasche und nehme den, den ich als Erstes rausziehe, für die Runde. Dieses Mal war es der von meinem Vater, und da war mir klar, da kann eigentlich nichts mehr schiefgehen“, so Jäger, dessen Vater Klaus vor 2 Jahren plötzlich verstarb. „Das war unglaublich schlimm. Ich spielte gerade die Players, als ich die Nachricht bekam. Und dann erfuhren wir wenige Tage später, dass Shelby schwanger ist. Ein Leben geht, ein neues kommt. Das war einfach nur krass. Und dann merkst du auf einmal auch, dass Golf nur Golf ist und es viel wichtigere Dinge gibt. Denn egal ob du Bogeys oder Birdies spielst, am Ende wartet immer deine Familie auf dich daheim und ist für dich da“, so der Eichenrieder.
Cool gespielt
Mit „Papa Klaus“ als Glücksbringer in der Tasche und der Ansage von Shelby im Hinter- kopf spielte Stephan Jäger das Turnier seines Lebens. Seriensieger und Nummer eins Scottie Scheffler im Flight und Rücken, auch das schien Stephan kalt- zulassen. Er verteidigte auf den Backnine eine knappe Führung und blieb cool. „Ich weiß, auf den Backnine habe ich nur Pars gespielt, aber der Platz ist nicht gerade einfach, und da reichen dann halt auch Pars für einen Titel.“ Auf dem 18. Grün wurde ihm zuerst von „Tourspezl“ Joel Dahmen mit Kind auf dem Arm und wenig später von Shelby herzlich gratuliert. Natürlich durfte auch Sohnemann Fritz (16 Monate) nicht fehlen, der beim Foto des Tages sogar im Siegerpokal Platz fand. „Dieser Sieg
ist einfach unglaublich, aber am allerschönsten ist es, dass die Familie mit dabei war“, strahlte Jäger, für den es nach der üblichen Siegertour nebst Interviews und Fotos ganz schnell zurück in den Alltag ging.
Windeln wechseln
„Ganz ehrlich, ich hab so einiges noch gar nicht realisiert. Nach den Terminen sind wir zurück ins Airbnb, und dann kam erst mal der Fritz mit Waschen und Windelnwechseln dran. Das ist halt so mit einem kleinen Kind“, erinnert sich Jäger an den Abend.
„Am nächsten Tag war ich einfach platt. Ich habe Interviews gegeben, und wir mussten für meine Mutter (Sophie) die Flüge umbuchen. Eigentlich sollte sie uns in San Antonio zum Turnier treffen, aber das lasse ich jetzt aus. Also kommt sie nach Houston und fliegt von dort zu uns dann nach Hause nach Chattanooga (Tennessee) und kommt dann mit zum Masters“, so Jäger. Mit der ersten Teilnahme in Augusta ist für ihn natürlich
ein großer Traum wahr geworden. Und dieser ist dem 34-Jährigen nicht in den Schoß gefallen. Die Chance, beim Masters und weiteren Majors mitzuspielen, hat sich Stephan Jäger über die letzten Monate und Jahre hart erarbeitet.
Mehr Speed muss her
Auf der einen Seite mit Speed- Training, bei dem die Schwung- und Schlägerkopfgeschwindigkeit kontinuierlich verbessert wird. „Also ich habe März/April 2022 damit angefangen und das seit einem guten Jahr dann noch stärker, also 2 bis 3 Mal die Woche, verfolgt. Dabei ist es egal, ob auf der Range oder auf dem Platz. Ziel ist es, so weit wie möglich zu schlagen und dem Körper beizubringen, dass da noch mehr geht. Die Erfolge waren der Wahnsinn. Der Ball- und Schlägerspeed wurde immer besser, aber was mich am meisten dabei gewundert hat, war, dass ich dadurch tatsächlich gerader vom Tee geworden bin“, zeigt sich Jäger selbst überrascht.

„Auf einmal hat man nicht mehr so viele Gedanken im Kopf, und schon funktionieren die Drives besser. Weniger Ausbälle, we- nig Wasserbälle, dass macht es einem deutlich einfacher, gut zu scoren. Wenn du dann auf der 17 (kurzes Par 4) stehst und weißt, du kommst, egal wie du den Drive triffst, über das Wasser, dann ist das sehr hilfreich“, so Jäger, der unglaubliche 13+ Me- ter Länge vom Tee draufgepackt hat und damit in Sachen Drivedurchschnittslänge auf der Tour von „jenseits von Gut und Böse“ bis in die Top 10 nach vorne geschossen ist.
Mentale Stärke
Auf der anderen Seite die Arbeit mit einer Mentaltrainerin. „Ich hab seit gut 9 Monaten einen Mentalcoach. Ich wollte das einmal ausprobieren und bin total begeistert von Julie (Elion). Das geht weit über die Preshot-Routine hinaus. Die helfen dir bei so vielen Dingen. Auch das Mindset während der Runde. Wie du mit guten und vor allem schlechten Schlägen und Runden umzugehen hast, und, und, und“, so Jäger. Genau das konnte man auf den Backnine am Sonntag sehr gut beobachten, vor allem wie ruhig Stephan Jäger im Duell mit der Nummer eins der Welt blieb und sein Programm Schlag für Schlag herunterspulte. Auch nach einer richtig guten, aber knapp verpassten Chance auf der 17 zum Birdie blieb er „in the zone“. „Das ist gelernt, und es ist wirklich schön zu sehen, dass sich die harte Arbeit dann gelohnt hat“, so Jäger über den größten Sieg seiner Karriere.
Ab zum Masters
Dass er golfen kann, hat Stephan Jäger schon vor vielen Jahren mit seinen zahlreichen Siegen auf der Korn Ferry Tour und Rekor- den (58er-Runde, die GolfWeek berichtete) bewiesen. Dass man sich, um bei der großen PGA Tour bestehen zu können, aber stetig weiterentwickeln muss, hat der 34-Jährige rechtzeitig erkannt, und er hat sich bestens darauf vorbereitet. „Ich hoffe, dass ich auch noch mal gewinne, wenn Fritz schon etwas älter ist und das dann auch mitbekommt. Nicht dass er mich als Teenager irgendwann mal fragt, was ich überhaupt so gemacht habe und ob ich mal in irgendetwas gut war“, lacht Jäger, der im neu- en Haus in Chattanooga wahr- scheinlich gerade die Koffer für Augusta packt. „Ich freue mich jetzt schon auf die Woche in Augusta mit meiner Familie. Vor allem auf den Par-3-Contest mit Shelby und Fritz“, sieht Stephan Jäger einer ganz besonderen Woche freudig entgegen.
Einfach nur WOW!
In eigener Sache: Stephan, als ich in den 90ern mit deiner Schwester Michaela im GC Eichenried mit dem Golf angefangen habe, war es für dich das Höchste, mit dem Golfcart herumzudüsen. Du hattest mit Golf eigentlich überhaupt nichts am Hut. Gott sei Dank hast du dann doch irgendwann mal einen Schläger in die Hand genommen, und jetzt schau, was du erreicht hast: PGA-Tour-Sieger, Masters-Teilnahme, Top 50 der Welt. Wahnsinn. Große Klasse, Sedl, the first of many!!!! Cheers Hubi
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