Endlich einmal ganz oben

Der Engländer Laurie Canter reiht sich vor den Toren Hamburgs in die lange Liste der Erstsieger bei den European Open ein.

Die 41. Ausgabe der ­European Open begann aus deutscher Sicht mit einem richtigen Ausrufezeichen. Nach insgesamt 11 (!) Birdies, 5 Pars und 2 Bogeys­ prangte der Name Jannik de ­Bruyn in großen Lettern an der Spitze des Leaderboards. Nur 64 Schläge hatte der 24-jährige Mönchengladbacher auf der kniffeligen und bei typischem Hamburger Wetter schon fast berüchtigten  „Nordschleife“ der Green Eagle Golf Courses benötigt.­ Da waren nicht nur die Konkurrenz und die Golfexperten, sondern auch Jannik selbst richtig baff.

Kopf ausgeschaltet

„Ich wusste gar nicht so richtig, wie mir geschieht“, so der Linkshänder, der sich in letzter Zeit golferisch eher in einem Formtief befand. „Ich habe wirklich über nichts nachgedacht, weil ich nicht so gut drauf war, als ich hierherkam. Bis gestern Abend um sieben wusste ich gar nicht, wie ich den Ball geradeaus haue. Dann habe ich was gefunden – und das hat dann heute wirklich perfekt funktioniert“, so de Bruyn über das Erfolgsrezept für seinen tollen Auftritt, der den heimischen Fans am Donnerstag Grund zur Freude lieferte. „Im Endeffekt ist es ja so, dass wenn man den Ball da platziert, wo er hinmuss, dann ist auch dieser Platz zu schlagen“, zog Jannik nach seiner Fabelrunde ganz nüchtern Bilanz. Dass den jungen Deutschen über die folgenden Tage immer mehr Fans verfolgten, freute ihn natürlich, und Hoffnung auf den ersten DP-World-Tour-Heimsieg seit 16 Jahren keimte auf. 

Bester Deutscher

Durch den tollen und unerwarteten Auftakt muss der Druck auf Jannik de Bruyn aber auch enorm hoch gewesen sein, doch auch hier wusste der 24-jährige die Lage richtig einzuschätzen. „Es geht darum, alles zusammenzuhalten und Geduld zu haben. Das ist eigentlich meine einzige Motivation – was da am Ende rauskommt, das steht in den Sternen“, so der Deutsche. Am Ende stand nach einem leider verhagelten Sonntag mit dem geteilten 18. Platz die beste Platzierung eines Lokalmatadors zu Buche und die Gewissheit, schon einmal drei Runden lang ganz oben im Tourzirkus mithalten zu können. „Ich habe es sehr genossen, auch wenn das Ergebnis jetzt nicht so gestimmt hat. Ich hatte sehr viel Spaß.
Es waren megaviele Leute dabei. Es hat nicht viel gefehlt, um gut zu spielen heute, und diese Erfahrung über die ganze Woche kann mir niemand mehr nehmen“, so der sympathische Newcomer.

Jannik de Bruyn spielte in Hamburg 3 Tage lang richtig groß auf.

Local Tiger

Auch der junge Hamburger Amateur Tiger Christensen ging am Ende der Turnierwoche mit einem guten Gefühl vom Kurs. „Es war auf jeden Fall eine mega Erfahrung“, so der 20-Jährige, der in den USA am College studiert. „Ich wusste bis Mittwoch gar nicht, ob ich rechtzeitig hier bin, um mitzuspielen, weil ich halt noch bis Dienstag bei den Nationals war. Im Grunde genommen bin ich sehr zufrieden: Ich habe den Cut gemacht. Und wie gesagt, es war eine lange Saison in Amerika, und jetzt wieder hier zu sein ist gut“, so Christensen, der am Ende bei zwei über Par Rang 46 belegte. Besonders in Runde drei hatten Tiger, der am Freitag mit einer 68er-Runde begeisterte, hunderte Menschen auf seiner Runde begleitet.

Wiesberger mischt mit

Positive Schlagzeilen gab es aus österreichischer Sicht von einem alten Bekannten. Nach seinem Abstecher zu LIV findet Bernd Wiesberger auf der DP World Tour langsam zu seiner Form ­zurück und lag in Hamburg bis kurz vor Schluss richtig gut im Rennen.­ Mit gleich 3 Birdies in Folge (12–14) setzte „Wiesel“ den Führenden Laurie Canter noch einmal ordentlich unter Druck, ehe ihm auf der 17 der vorentscheidende Fehler unterlief. Auch der Schwan im Teich im Hintergrund konnte kaum mit ansehen, wie Wiesberger seinen Parputt verschob, und tauchte mit seinem Kopf in diesem Moment genauso ab wie die Siegchancen des 8-fachen Toursiegers. Am Ende blieb der geteilte zweite Rang, zusammen mit Thriston Lawrence (77-67-69-68), der dank dreier Birdies auf den letzten vier Bahnen seinen Gesamtscore ebenfalls auf 11 unter Par stellte. „Es war echt schwer heute, aber ich habe mein Spiel gut zusammengehalten“, zeigte sich Wiesberger (71-72-67-71) genauso wie Thriston Lawrence („Nach der 75 zum Auftakt nehme ich die Top 5 auf jeden Fall“) zufrieden.

Bernd Wiesberger wurde am Ende starker geteilter Zweiter

Erster Sieg für Canter

Ein strahlender und vor allem richtig gerührter Sieger der. 41. European Open wurde ­Laurie Canter, der sich nach vier zweiten Plätzen bei seinem 142. Start nun endlich den ersten Titel auf der DP World Tour sichern konnte. Dabei blieb der Engländer auch nach der Aufholjagd durch die arrivierten Wiesberger und Lawrence cool und schlug im entscheidenden Moment zurück. Während viele Spieler der Führungsgruppe am Ende ­Federn ließen und vom Platz regelrecht abgeworfen wurden, nutzte Canter die beiden Par 5s 15 und 16, um sich mit Birdies entscheidend abzusetzen. Auf dem 18. Grün reichte dem routinierten Engländer dann letztendlich ein solides Par, um seinen ersten DP-World-Tour-Titel mit einem Ergebnis von insgesamt 13 unter Par (68-66-73-72) zu holen.

Für die Familie

„Das ist es, was ich schon immer wollte: auf der DP World Tour gewinnen. Jetzt, wo ich es geschafft habe, eröffnen sich für mich einige Möglichkeiten. Wenn ich versuchen will, in der Weltrangliste aufzusteigen und bei den größten Turnieren der Welt mitzuspielen, muss man wissen, wie man gewinnt, und ich denke, dass man diesen Glauben nur bekommt, wenn man es geschafft hat. ­Hoffentlich bedeutet das, dass ich weitermachen kann und von Erfolg zu Erfolg gehe. Es ist ziemlich schwierig, wenn man das Gefühl hat, dass man es nicht schafft, und dieses Stigma um sich her­um hat. Ich weiß selbst, dass ich gewinnen kann. Mir wurde klar, dass ich mich darauf konzentrieren muss, was meine engen Freunde und meine Familie von mir denken, und dass ich mich mehr darauf konzentrieren muss, zu versuchen, für jemanden auf Twitter zu gewinnen. Das hat mir wahrscheinlich geholfen“, so Canter sichtlich gerührt. 

Positive Bilanz

„Diese 41. Austragung der ­European Open war ein tolles Sportfest mit hochklassigem Golfsport, einem starken Sieger­ und einem wirklich stimmungsvollen Live-Erlebnis – für Golf-Fans und Golf-Neulinge“, zeigte sich auch Turnierdirektor Dirk Glittenberg mit dem diesjähri­gen Event sehr zufrieden. „Dass erneut so viele Menschen auf die Anlage gekommen sind, ist großartig und nicht selbstverständlich. Dieses Event hat hier im Norden seinen Platz gefunden und wächst weiter. Das macht uns richtig glücklich und ist eine riesige Motivation für die kommenden Jahre. Ich will mich bei allen unseren Partnern und bei Michael Blesch und seinem Team der Green Eagle Golf Courses bedanken – an diesem Erfolg sind unglaublich viele hart arbeitende Menschen beteiligt“, so Glittenberg. In den Turniertagen waren laut Veranstalter 25.386 Besucherinnen und Besucher auf den Nord Course der Green Eagle Golf Courses geströmt und hatten für eine mitreißende Stimmung auf den Naturtribünen der Anlage gesorgt. 

Medianachweis: Sportcomm / Getty Images

Total
0
Shares
0 Share
0 Tweet
0 Share
0 Share
0 Share
0 Share
0 Share
0 Share
Prev
PING liefert wieder die Ans(w)er

PING liefert wieder die Ans(w)er

Die Golf Week ging auf Spurensuche bei PING Europe und kennt nun die Antwort,

Next
Tragisches Ende

Tragisches Ende

Der zweifache PGA-Tour-Sieger Grayson Murray nahm sich im Alter von 30 Jahren

Das könnte dich auch interessieren
Total
0
Share