Walhalla oder eben Valhalla, das ist in der nordischen Mythologie der Ruheort der in einer Schlacht gefallenen Kämpfer, die sich als äußerst tapfer erwiesen haben. Dass die 106. Ausgabe der PGA Champion ship bei Louisville, Kentucky, im Valhalla Golf Club ausgetragen wurde, das kann kein Zufall sein. Denn tapfere Kämpfer, oder sagen wir einfach Wikinger, gab es dieses Jahr genug.
Ohne Gegenwehr
Vorneweg: Besonders tapfer waren auch die Verantwortlichen des Valhalla Golf Club, die mit ansehen mussten, wie ihr Platz nach Strich und Faden von den Profis zerlegt wurde. Da es im Vorfeld sehr viel geregnet hatte, waren die Grüns des eigentlich nicht so einfachen Layouts butterweich und damit den scharfen Schwertern der Wikinger wehrlos ausgeliefert. Den Fans gefielen die vielen Birdies und Eagles aber auf jeden Fall. Mit insgesamt 214 unter Par für das gesamte Feld wurde der bisherige PGAChampionship-Rekord von Riviera 1995 (+40) geradezu pulverisiert. Wir stellen vor: die tapferen Mannen, die für dieses Birdie„Schlachtfest“ hauptverantwortlich waren.
Der Oberwikinger
Vor einer Woche noch stolz den ersten Nachwuchs (Sohnemann Bennett kam zur Welt) begrüßt, machte Scottie Scheffler nach 3 Wochen Spielpause in Louisville da weiter, wo er nach seinem letzten Sieg bei der RBC Heritage aufgehört hatte. Donnerstag, erste Bahn (Par 4) Ball mit dem zweiten Schlag zum Eagle gelocht. Der Oberwikinger kann sich ein Lächeln nicht verkneifen, und man fragt sich: Wer bitte soll den aufhalten? Während die ärgsten Wetter beim Masters in Augusta noch gehofft hatten, mögliche verfrühte Wehen von Ehefrau Meredith könnten ihn zu einem plötzlichen Spielabbruch verleiten, hatte man in Kentucky etwas anderes parat.
Abgeführt
Denn Freitagfrüh gingen Bilder um die Welt, die aussahen, als hätte man sie einem Kriminalfilm entnommen. Scottie Scheffler wurde im noch Dunkeln in Handschellen abgeführt. Doch was war passiert? Nach einem schlimmen Unfall mit leider auch einem Todesopfer hatte die Polizei die Zufahrt zum Golfclub eingeschränkt und sich Scottie angeblich nicht an die Anweisungen gehalten. So gab es zu mindest der Officer zu Protokoll, der sich den Texaner schnappte und ihn wenig später vor zahlreichen Handykameras wie einen Schwerkriminellen zum Polizeiauto begleitete. Die Golfwelt hielt den Atem an, dies glücklicherweise allerdings nur kurz. Denn schon ein paar Stunden später verließ Scottie das Polizeirevier des Louisville Metro Police Department als freier Mann und erschien tatsächlich noch pünktlich zu Runde 2. Die Geschehnisse rund um die Verhaftung Schefflers könnten eine ganze Saison von Netflix’ „Full Swing“ füllen. Der genaue Ausgang des Verfahrens gegen Scheffler war zum Zeitpunkt dieser Zeilen zwar noch nicht klar. Klar war allerdings, dass es sich wohl um ein Missverständnis gehandelt hat.
Cool bleiben
Und was machte Scottie? Schier unbeeindruckt von den Geschehnissen in der Früh eröffnete er seine zweite Runde gleich einmal mit einem Birdie und kletterte dank einer 66erRunde und vielen, vielen Scottie-Rufen der Fans weiter auf dem Leaderboard nach oben. Anschließend gab der 2fache MastersSieger Autogramme, klatschte mit den Fans ab (einige trugen sogar bereits Shirts mit seinem jetzt schon legendären Mugshot) und begab sich zur mit äußerster Spannung erwarteten Pressekonferenz. Dort erklärte er, dass es sich wohl um ein Missverständnis mit der Polizei gehandelt habe, und fand sogar die Zeit, sein Beileid für die Familie des verstorbenen Helfers auszurücken. Konkreter durfte und wollte Scottie sich zu der ganzen Angelegenheit nicht äußern. Trotzdem konnten ihm die anwesenden Journalisten einige Quotes entlocken. „Ich bin irgendwie immer noch total verwirrt, weil ich ja nichts falsch gemacht habe. Man hat mich gut behandelt, und da meine übliche Vorbereitung auf die Runde ja unterbrochen wurde, habe ich mich mal in der Zelle ein wenig gestretcht und aufgewärmt“, so Scheffler nach seinem denkwürdigen Freitag.
Wirkungstreffer
Dass auch ein so gestandener Wikinger wie Scottie Scheffler so etwas nicht einfach beiseiteschieben kann, zeigte sich dann am Samstag. Ohne Caddie Ted Scott an der Tasche, der wie vorher besprochen bei der Highschool-Abschlussfeier seiner Tochter zugegen war, unterlief ihm seit August 2023 die erste Runde über Par. Sämtliche Hoffnungen auf einen Turniersieg waren dahin, und nach Scotties 65er-Runde am Sonntag war allen klar: Ted Scott hatte als Caddie in den letzten Monaten maßgeblichen Anteil am Erfolg Schefflers, der ohne das wohl etwas übereifrige Eingreifen eines Polizisten auf jeden Fall wieder um den Sieg mitgespielt hätte.
Der Comeback-Wikinger
Wäre es nach Viktor Hovland gegangen, hätte er wegen seiner seit Monaten miserablen Form in Louisville am liebsten fast gar nicht aufgeteet. Zum Abschluss der vergangenen Saison befand sich der Norweger noch auf dem Höhepunkt seiner Karri ere, gewann Turnier um Turnier und sogar den FedEx Cup. Dann trennte er sich aber völlig überraschend von Schwung-Coach Joe Mayo und zahlte 2024 inklusive des verpassten Cuts beim Masters bitteres Lehrgeld. „Ich habe ihn angerufen und gefragt, ob er sich meinen Schwung anschauen kann“, beschrieb Viktor die kürzliche Rückkehr zu seinem Coach, der ihn schnurstracks zurück in die Erfolgsspur führte. Hovland spielte wie ausgewechselt und nutzte die viel zu leichten Bedingungen für ein Major im Valhalla Golf Club gnadenlos aus. Weiche Grüns sind für einen Fahnenjäger wie Hovland ein gefundenes Fressen. Es lief sogar so gut, dass sich Viktor, kurzzeitig in Führung liegend, sogar berechtigte Hoffnungen auf Major-Sieg Nummer eins machen durfte. Doch gleich mehrere verpasste Chancen zum Birdie auf den letzten Bahnen und besonders auf der 18 setzten Viktors Reise nach Valhalla dann doch ein Ende.
Der Haudrauf-Wikinger
Hovlands Flightpartner Bryson DeChambeau hingegen gelang das Birdie an der 18 und damit der Sprung auf 20 unter Par und die vorzeitige Führung im Clubhaus. Ein mögliches Stechen lag in der Luft, und der sichtlich voll motivierte Kalifornier hatte richtig Bock darauf. Überhaupt sah man Bryson schon lange nicht mehr so engagiert und vor allem emotional über die Fairways laufen und die Zuschauer mitreißen. Spott über seine komisch wirkende Armhaltung beim Putten und Chippen ließ er genau so ruhig über sich ergehen wie die eine oder andere Spitze der Fans gegen seine LIV-Zugehörigkeit. Die Antwort gab Bryson auf dem Platz. Er kloppte munter über alle Hindernisse hinweg und spielte sich mit seinen wirklich vielen spektakulären Schlägen zurück in die Herzen der Fans. Auch wenn es am Ende knapp nicht reichen sollte, ist Bryson ein würdiger Kämpfer für Valhalla, auch weil er kurz nach dem Ende den Sieger abfing, um fair zu gratulieren.
Der irische Wikinger
War nicht wie zu erwarten Rory McIlroy, sondern Shane Lowry. “Während Rory wie schon so oft in letzter Zeit keine vier guten Runden zusammenbrachte und nun mit seiner Scheidung eher für Schlagzeilen abseits des Platzes sorgte, bestach Lowry durch sein starkes Spiel. Dabei sah er nicht nur aus wie ein tapferer Nordmann, sondern gab vor allem am Samstag den Ton an. Mit einer 62er-Fabelrunde, die mit ein wenig Glück am letzten Loch auch eine 61 und damit eine noch nie bei einem Major dagewesene Re kordrunde bedeutet hätte, spielte sich Lowry in „contention“. Wie schwer es allerdings ist, auf solch eine sensationelle Runde eine weitere richtig gute folgen zu lassen, zeigte sich leider am Sonntag. Da wirkte Shane ungeduldig und unzufrieden und brachte sich mit 70 Schlägen um einen weiteren möglichen Major-Titel.
Der Olidie-Wikinger
Beim Ryder Cup in Rom letztes Jahr hat Justin Rose als dienst ältester Spieler für Team Europe seine Klasse einmal mehr unter Beweis gestellt. Dass er auch bei” “einem Major noch das Zeug hat, ganz vorne dabei zu sein, bewies er in Louisville eindrucksvoll. In Runde 3 spielte er mit Shane Lowry im Flight und nur 2 Schläge schlechter als der Ire. Am Ende wurde Justin genau wie Shane geteilter Sechster. Nicht schlecht für den Oldie unter den Wikingern.
Der leise Wikinger
Dann gab es da noch einen gewissen Collin Morikawa. Kaum einer weiß, dass der Amerikaner bereits 2 Major-Titel sein Eigen nennt und längst die Aufnahme in Valhalla verdient hätte. Und so galt er am Sonntag, im letzten Flight spielend, auch als Geheimfavorit. Doch als es darauf ankam, spielte Collin, so wie es aussah, mit einer stumpfen Klinge. Das einzige Birdie des Tages gelang ihm auf der Schlussbahn – in diesem Fall viel zu wenig, um beim Titel ein Wörtchen mitreden zu können.
Die deutschen Wikinger
Mit Martin Kaymer und Stephan Jäger spielten gleich zwei deutsche Wikinger alle vier Runden im Valhalla Golf Club. Nachdem beide nach dem Cut am Freitag noch gut im Rennen lagen, ging ihr Boot über das Wochenende leider vollkommen unter.
Der siegreiche Wikinger
Wirklich verdient hat sich den Titel im Valhalla Golf Club Xander Schauffele. Nicht nur dank seiner Auftaktrunde von 62 Schlägen, sondern auch weil der Olympiasieger nach vielen Close Calls in der Vergangenheit jetzt einfach einmal dran war. In den letzten acht Majors klassierte sich der Kalifornier jedes Mal unter den Top 20 – erst vergangene Woche war Schauffele in der Finalrunde der Wells Fargo Championship einmal mehr rechts überholt worden. Doch irgendwie wirkte Xander in Louisville gelassener, und er spulte sein Programm unbeeindruckt herunter. Mit der Erfahrung und dem Learning aus den vielen Rückschlägen steuerte Xander Schauffele sein Boot am Ende einem Start-Ziel-Sieg entgegen. Auch ein taktischer Fehler” “an Bahn 10 nebst Bogey brachte den Amerikaner nicht aus der Ruhe, und so machte Schauffele mit einem vielumjubelten Birdie an der 18 seinen Einzug nach Valhalla klar. „Ich habe schon die ganze Woche gesagt, ich muss einfach fokussiert bleiben und mein Spiel spielen“, so Schauffele. „Viele Spieler wären nach so vielen knappen Niederlagen in sich zusammengefallen, aber nicht er“, war auch Schauffeles Caddie Austin Kaiser voll des Lobes. „Letzte Woche, nachdem Rory uns deutlich geschlagen hatte, gab er mir an der 18 die Hand und sagte: Wir werden sehr bald so ein Ding gewinnen.“
Großes Spektakel
Dank der vielen unterschiedlichen Wikinger-Typen aus nah und fern und dank eines
„leichten“ Platzes wurde die 106. Auflage der PGA Championship zu einem echten Spektakel mit einem neuen Major-Rekordergebnis von 21 unter Par. Birdies sind eben auch schöner anzusehen als Bogeys und Doubles.”
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