Mit viel Spannung erwartet, bot die 40. Auflage der Porsche European Open auf dem Nord Course der Green Eagle Golf Courses bei Winsen/Luhe wirklich alles, was das Golferherz höherschlagen lässt. Spektakuläres Profigolf, gepaart mit besten äußeren Bedingungen, und was die Zuschauer besonders gefreut haben dürfte, gleich eine Handvoll Lokalmatadore, die für zahlreiche Turnierhighlights sorgten und am Ende auch noch um den Sieg mitspielten.
Deutsche Ausrufezeichen
Bisher war in der Historie des Turniers Bernhard Langer (1985 und 1995) als einziger deutscher Sieger gelistet, doch wer das deutsche Herrengolf in letzter Zeit verfolgt hat, wusste, da geht richtig was. Und schon am ersten Tag gab es auf dem gewohnt kniffeligen und langen Platz das erste Highlight aus deutscher Sicht. Jannik de Bruyn schrieb an Bahn 2 (Par 3, 180 Meter) nur einen einzigen Schlag auf, da sein Ball zum vielumjubelten Hole-in-one das Loch fand. Zwar gab es für de Bruyn ebenso wenig ein Auto (Hole-in-one-Preis nur an der 17) wie für den Thailänder Jazz Janewattanong, dem am Folgetag dasselbe Kunststück gelang, doch werden die beiden ihre Asse sicher trotzdem gerne in Erinnerung behalten. Ein weiteres Highlight lieferte Hurley Long, der für die 11. Bahn (Par 5, 530 Meter) am Freitag sage und schreibe nur 2 Schläge benötigte und dafür einen Albatros notieren durfte.
Gute Stimmung
Natürlich sorgten diese spektakulären Schläge für beste Stimmung unter den Zuschauern, die mit zwei Eagles von Marcel Siem und Nicolai von Dellingshausen (zum Cut) auf der 18 weiter richtig verwöhnt wurden. Ganze 10 deutsche Profis schafften den Sprung ins Wochenende, und das sollte Samstag und Sonntag bei bestem Wetter natürlich noch einmal eine Extraportion Fans auf den Nordkurs locken.
Gute Unterhaltung
Neben all dem Golf kamen die Zuschauer der Porsche European Open natürlich auch anderweitig auf ihre Kosten. Von spektakulären Boliden des Hauptsponsors über eine Vielzahl an Ausstellern im vergrößerten Public Village bis hin zum nach wie vor einzigartigen Riesenrad mit Traumblick über den Platz und jeder Menge Verpflegungsmöglichkeiten war alles geboten.
Stimmungskanone Siem
Und als sich dann Sonntagnachmittag unter blauem Himmel auch noch ein spannender Showdown um den Sieg mit deutscher Beteiligung herauskristallisierte, fand die Stimmung bei den Fans ihren Höhepunkt. Vorneweg marschierte Publikumsliebling Marcel Siem, der die Anfeuerungsrufe der Fans wie ein Schwamm aufsaugte und Tag um Tag spektakuläres Golf produzierte. Wer den mittlerweile 42-jährigen Tourveteranen genauer verfolgte, sah, dass es für Siem eine Achterbahnfahrt der Gefühle war. Auf glänzende Birdies folgten unnötige Schlagverluste, und man merkte dem mittlerweile auf Mauritius lebenden Paradiesvogel wirklich an, wie sehr er die Stimmung genoss und dass er sein letztes Hemd für den Sieg gegeben hätte.
Kämpfer Kieffer
Genauso wie sein Landsmann Max Kieffer, der nach seinem Auftaktsieg beim Pro-Am mit u.a. „Let’s Dance“-Juror Joachim Llambi das Hamburger „Double“ anpeilte und sich golferisch und kämpferisch von seiner besten Seite präsentierte. Zusammen mit Youngster Tom McKibbin lagen die beiden Deutschen am Finaltag kurz vor Schluss bei –7 gleichauf in Führung, als es ums Eingemachte ging.
Böser Fehler
Während der 20-jährige Nordire scheinbar absolut ohne Nerven zum Birdie auf der 15 verwandelte, kassierte Marcel Siem den vorentscheidenden Dämpfer. Ausgerechnet an der 16. Bahn, die mit fast 600 Metern in zwei Schlägen unerreichbar war, vergriff sich Marcel im Schläger. „Eigentlich peinlich, weil ich den Platz in- und auswendig kenne. Aber ich habe in meinem Birdie-Book die Distanzen vom falschen Abschlag notiert. Daher dachte ich, ich kann ein Holz 3 spielen, um auf dem Fairway zu landen. Leider war das Wasser aber deutlich näher als gedacht. Daran sieht man mal: Selbst nach 23 Jahren auf der Tour hat man noch nicht ausgelernt. Nächstes Mal werde ich mich besser vorbereiten“, so Siem, den das anschließende Bogey den möglichen Turniersieg gekostet haben dürfte.
Sehr viel Positives
Doch trotz des Aussetzers überwiegten für Marcel am Ende die vielen, vielen positiven Eindrücke, die ihn auf eine tolle Woche in Hamburg zurückblicken ließen. „Ich habe noch nie eine solch überragende Stimmung bei einem deutschen Turnier erlebt – und ich habe sie alle gespielt seit 1999. Das ist mit Abstand das schönste Turnier von der Atmosphäre her gewesen. Der Golfplatz ist einfach mega. So viele Kids draußen. Ich glaube, das war ein richtig wichtiges Turnier für die Zukunft und unsere jüngeren Golfer auch. Dass sie so vielen Deutschen zugucken und Max und ich auch vorne mitspielen konnten. Das ist auf jeden Fall, Häkchen dran, das geilste Turnier“, so Siem, der am Ende bei 7 unter Par geteilter Zweiter wurde.
Knapp vorbei
Ebenso wie Max Kieffer, der die Porsche European Open nach Tag 1 und Tag 2 sogar anführte. Mit einem Birdie auf der finalen Bahn hätte „Kiwi“ noch einmal Druck ausüben können auf Tom McKibbin, doch sein Versuch zur 4 schrammte um Haaresbreite am Loch vorbei. „Ich hätte an der 18 ein Birdie machen müssen. Nach dem Abschlag habe ich wirklich die schlechteste Nummer gehabt, die man haben kann. Das Rescue war genau an der Kante. Wenn ich das nicht treffe oder ein bisschen Wind kommt, ist das im Wasser. Das Holz 3 war eigentlich viel zu lang, aber dann habe ich einen Dreiviertelschwung gemacht, einen hohen Fade. Der war sehr gut. Beim Chip dachte ich, der wäre ein bisschen schneller. Und ich dachte, ich hätte einen guten Putt gemacht. Schade, dass der noch nach rechts abgebogen ist. Die 18 ärgert mich“, so Kieffer. Aber genau wie bei Siem überwogen auch für Max am Ende die positiven Eindrücke. „Nach der dritten Runde habe ich eigentlich nicht mehr dran geglaubt. Ich war richtig fertig von der Woche. Aber dann war ich auf dem Platz und hatte ein ganz gutes Mindset. Ab der 4 habe ich dran geglaubt, mein eigenes Spiel gespielt und nicht mehr auf das Leaderboard geschaut. Ich bin sehr stolz darauf, wie ich mich zurückgekämpft habe“, so Kieffer, der ebenfalls den geteilten zweiten Rang mit Siem und dem Franzosen Julien Guerrier belegte.
Rookie-Sensation
Dass es am Ende nicht für einen deutschen Sieg „daheim“ gereicht hat, lag einzig und allein an Tom McKibbin. In seiner ersten Saison auf der Tour spielte der junge Nordire wie ein Routinier und ließ sich von wirklich gar nichts aus der Ruhe bringen. Mit einem Schlag Vorsprung ging es für den 20-Jährigen aus Holywood an die legendäre 18, auf der er die Zuschauer mit seinem zweiten Schlag in Erstaunen versetzte. Aus gut 180 Metern spielte Tom sein Eisen 5 mit einem leichten Draw um den vor ihm stehenden Baum bis auf wenige Meter an die Fahne aufs Grün.
Total cool
„Es war definitiv einer meiner besten Schläge jemals. Er war knifflig, aber dann doch irgendwie nicht. Ich wollte ihn rechts auf dem Grün landen lassen, und dann ist er noch abgebogen. Das Wasser war nicht im Spiel, das wusste ich. Am Bildschirm sah er bestimmt gut aus, aber letztlich war es der einfachere Schlag, als vorzulegen und über das Wasser zu spielen“, so McKibbin, der wenig später zum 2-Putt-Birdie und dem ersten DP-World-Tour-Sieg seiner Karriere verwandelte.
Zieht Rory nach?
Unter den ersten Gratulanten dürfte bestimmt auch Rory McIlroy gewesen sein, der als Mentor des jungen Shootingstars gilt. „Ich werde es wahrscheinlich erst morgen begreifen, was hier passiert ist. Meinen Vater dabeizuhaben ist natürlich besonders. Vor seinen Augen gewinnen zu können war unglaublich. Und natürlich drücke ich heute Abend Rory die Daumen, dass er das „Memorial“ (PGA Tour) gewinnt, um unsere Woche perfekt zu machen“, so McKibbin, der wie Rory ebenfalls im Holywood GC spielt.
Denkwürdiges Turnier
Auch wenn der nordirische Shootingstar am Ende vor den Toren Hamburgs zu einem leichten Partycrasher wurde, darf man äußerst positiv auf die Jubiläumsausgabe der Porsche European Open auf der Anlage der Green Eagle Golf Courses zurückblicken. „Wir sind uns sicher: Das war die beste Porsche European Open, die wir je hatten“, sagt Turnierdirektor Dirk Glittenberg. „Wir haben einen sportlich unglaublich hochklassigen und spannenden Wettbewerb gesehen mit einem grandiosen Sieger vor atemberaubender Kulisse mit einer riesigen Anzahl an Fans, die für maximale Stimmung gesorgt haben. Das war ein Golffest, das noch lange in Erinnerung bleiben wird“, zog Glittenberg sehr zufrieden Bilanz.
Charity-Gedanke
Was nach all dem Trubel um Profigolf zum Abschluss ebenfalls sehr positiv in Erinnerung bleiben wird, ist die erstmalig von Porsche ins Leben gerufene Aktion „Birdies for Charity“. Für jedes gespielte Birdie während der vier Turnierrunden auf dem Porsche Nord Course spendete der Titelsponsor 75 Euro. Und dabei kam so einiges zusammen. Denn den Profis gelangen über die vier Tage stolze 1.359 Birdies. Damit ergab sich eine Spendensumme von 101.925 Euro. Porsche rundete den Betrag auf 120.000 Euro auf. Und dieser ging dann zu gleichen Teilen an die „JOBLINGE Hamburg“ sowie den Verein „Hamburger Abendblatt hilft“ für deren Ukraine-Hilfsprojekte.
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