Hätten Sie jetzt auf die Schnelle gewusst, dass Golfspielen fast schon notwendig ist, um US-Präsident zu werden? Gut, bei Donald Trump ist das ja mehr als bekannt, aber auch der scheidende Präsident Joe Biden spielt gerne. Das betrifft auch George Bush junior, Barack Obama, Bill Clinton, George Bush senior, Ronald Reagan, Gerald Ford, Richard Nixon, Lyndon B. Johnson, John F. Kennedy, Dwight D. Eisenhower – alle spielten Golf. Diese Liste geht in der Zeit zurück, was aufmerksamen Lesern sicher auch aufgefallen ist. Jimmy Carter (zwischen Reagan und Ford) war der einzige Nicht-Golfer seit Harry Truman. Sprich: Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs hat es 14 Präsidenten gegeben, zwölf davon spielten Golf. Auch davor gab es einige Fans. Woodrow Wilson wurde von seinem Arzt angewiesen, Golf zu spielen, um Stress abzubauen. Während seiner beiden Amtszeiten spielte er mehr als 1.000 Runden Golf, auch im Winter, mit schwarz bemalten Golfbällen, damit er sie im Schnee sehen konnte. Calvin spielte Golf wiederum, weil er sich verpflichtet fühlte, aber er war schlecht. Es ist bekannt, dass er einmal eine 11 auf einem Par 3 von 130 Yards erzielte. Es heißt, er habe nicht nur schreckliche Ergebnisse erzielt, sondern auch nie die richtige Golfkleidung des Tages getragen und sich auf dem Golfplatz nie an die Etikette gehalten. Präsident William McKinley machte 1897 den ersten Präsidenten-Putt, aber Taft war der erste US-Präsident, der viel Golf spielte und das Spiel ernst nahm. Kurzum: Seit dem ersten golfenden Präsidenten William Taft haben nur drei nicht gegolft. Also auch einmal eine Ansage an den Rest der Welt.
Wer golft hier nicht?
Wieder zurück in unsere Lebenszeit. Die meisten Herausforderer der letzten Präsidenten waren wie Kamala Harris keine Golfer, etwa Hillary Clinton, die 2016 gegen Trump verlor, John McCain, der 2008 gegen Obama nicht gewinnen konnte, oder Bush-jun.-Herausforderer Al Gore. Carter war der einzige Nicht-Golfer, der mit Ford einen Golfer schlagen konnte. Aus diesem Blickwinkel ist das alles keine gute Nachricht für das Duell Trump vs. Harris, wenn man die demokratische Präsidentschaftskandidatin unterstützen will.
Golfpolitik
„Nicht nur, dass ich Golf mag, ich bin auch überzeugt, dass wir durch verschiedene Arten von Treffen sowie Aktivität auf dem Platz etwas für die Überwindung der Schwierigkeiten und Spannungen, denen unsere unvollkommene Welt unterworfen ist, machen“, soll Eisenhower einmal gesagt haben. In den USA spielt Golf also durchaus eine Rolle in der Politik. Barack Obama – der eigentlich erst mit dem Golfen anfing, weil seiner Gattin Michelle die Basketball-Verletzungen zu viel wurden – hat einmal John Boehner, den Mehrheitsführer der Republikaner und somit seinen schärfsten Konkurrenten, zu einer Runde Golf eingeladen. Da kann man sich schon näherkommen und Kompromisse finden, was in der Demokratie unerlässlich ist. Der Letzte, der sich vor Obama derartig golfdiplomatisch zeigte und mit dem Gegenüber beim Golfen zuwege war, war Lyndon B. Johnson. Vielleicht sind die US-Präsidenten ja auch deshalb so golfaffin, weil man den wunderbaren Sport bis ins hohe Alter betreiben kann. Der Job als Politiker ist zugegebenermaßen stressig, da braucht es diesen Ausgleich, und irgendwann gehen andere Sportarten wie Laufen eben nicht mehr.
Über den Teich
In Europa ist das alles ein bisschen anderes. Und wenn man an dieser Stelle „bisschen“ sagt, dann meint man, dass es sehr viel anders ist. Das hängt damit zusammen, dass es im Verhältnis rund zehnmal mehr Golfer in den USA gibt als in Deutschland. Golf gilt als Sport der Eliten, und das Letzte, was Angela Merkel und Co brauchten oder brauchen können, sind Fotos mit Sekt und Lachsbrötchen, während die Probleme der Welt anstehen. Googelt man etwa Merkel und Nachfolger Olaf Scholz, gibt es Fotos mit dem Volkswagen. Man geht zum Fußball, schüttelt die Hände bei Olympia, aber meidet Golf wie der Teufel das Weihwasser. 2018 sagte der erfahrene und damalige Vorsitzende der Sportgemeinschaft Deutscher Bundestag Kurt-Dieter Grill: „Im Unterschied zu anderen Sportvereinen brauchen Golfclubs die Politik selten. Ihre Anlagen bauen und sanieren sie selbst und beantragen eher selten öffentliche Gelder. Allenfalls für die Baugenehmigung wendet man sich an die Politik.“ Grill, der selber golft, weiß, dass das kein Phänomen in Deutschland ist, sondern überall gilt. Sogar in Irland. Er erinnert sich an ein Turnier, wo er ein Foto von einem irischen Politiker machte: „Er hat mich gebeten, das Bild nicht im Internet zu veröffentlichen, weil er negative Publicity in seiner Heimat befürchtete.“
Keine Befürchtungen!
Am Ende des Tages mag es Unsinn sein, dass sich europäische Politiker davor fürchten, nicht mehr als volksnah aufgenommen zu werden. Golfer wissen ja, dass dieses verstaubte Image vom elitären Sport schon lang nicht mehr stimmt. Und wer glauben möchte, ein Politiker wäre fähiger, bodenständiger und volksnah, nur weil er am Fußballplatz fotografiert wurde, der glaubt vermutlich auch noch an das Christkind oder den Weihnachtsmann. Was aber nicht passieren sollte, sind Storys mit Geschmäckle, wie jüngst in Österreich. Da berichtete das Magazin Dossier von Golfrunden von Journalisten mit wichtigen Politikern. „Die Optik ist eine schlechte, ja“, räumte ein Bürgermeister dazu ein.
Lauf, Kamala!
Unsportlich ist Kamala Harris nicht. So soll sie laut Medienberichten den Tag mit einer halben Stunde Workout auf Crosstrainer oder Laufband beginnen, am Wochenende soll sie zudem auch einmal eine Stunde Spinning machen oder zehn Kilometer spazieren gehen. Vielleicht kann sie im Fall, dass sie die erst vierte Person in den letzten hundert Jahren wird, die Präsidentin ist, nicht mit anderen Politikern golfen gehen – dann müssen die sich eben auf ein Spinning-Rad setzen oder spazieren gehen. Das Wichtige ist ja doch am Ende, dass man sich fit hält und vor allem miteinander redet. Und jetzt einmal ehrlich: Wäre es nicht lustiger, Harris und Weltpolitiker ersten Ranges auf dem Radl zu sehen als auf einem Golfplatz? Wird sich alles im November entscheiden.
Medianachweis: Sportcomm/Getty Images