Eines der brennendsten Themen in unseren Clubhäusern ist die Frage des Golf-Handicaps. Wie hoch ist es, und wie errechnet es sich eigentlich? Seit der Einführung des World Handicap System im Jahr 2021 ist zwar bereits ein wenig Zeit vergangen, für viele Hobbyspieler haben sich aber die anfängliche Verwirrung und das Unverständnis über das neue System nicht wirklich gelegt. Dabei hat der World Handicap Index (WHI) eigentlich fast nur Vorteile.
Einheitliches System
Seit 2021 gelten nun nicht mehr nur die gleichen Golfregeln weltweit, sondern auch das Vorgabesystem wurde vereinheitlicht. Dies bringt vor allem den Vorteil, dass Ergebnisse international vergleichbar gemacht werden und zudem der neue Handicap-Index die aktuelle Spielstärke besser abbildet. Warum gibt es im Golfsport eigentlich ein Handicap? Die USGA, die neben dem R&A St Andrews zweiter Hüter der Golfregeln ist, fasst dies folgendermaßen zusammen: „Ziel ist es, den Spaß am Golfspiel zu steigern und möglichst vielen Golfspielern die Möglichkeit zu geben, einen Handicap-Index zu erlangen und beizubehalten, diesen auf jedem Golfplatz der ganzen Welt zu nutzen und sich mit anderen Spielern auf fairer und gleichberechtigter Basis im Wettkampf zu messen.“ Dies soll durch folgende Parameter erreicht werden: Festlegung von Course- und Slope-Ratings für jede Abschlagsgruppe, basierend auf Länge und Spielschwierigkeit; Anpassungen, um den gespielten Golfplatz und das Spielformat widerzuspiegeln; Bewertung und Auswirkungen der Spielbedingungen, indem die Ergebnisse der Teilnehmer an einem bestimmten Tag herangezogen werden; Begrenzung der maximalen Schlagzahl an einem Loch für Handicap-Zwecke, um sicherzustellen, dass ein Handicap-Index weiterhin die nachgewiesenen Fähigkeiten eines Spielers widerspiegelt; Anwendung einer einheitlichen Berechnung zur Aktualisierung eines Handicap-Index für alle eingereichten Ergebnisse; tägliche Aktualisierung eines Handicap-Index oder kurz danach; regelmäßige Überprüfung des Handicap-Index eines Spielers, um sicherzustellen, dass er weiterhin die nachgewiesenen Fähigkeiten des Spielers widerspiegelt.
Komplexe Berechnung
So weit, so gut. Doch wie berechnet sich nun das Handicap? Im Grunde ganz einfach: Von den letzten 20 vorgabewirksamen Runden werden die besten
acht herangezogen und ein Durchschnittswert ermittelt. Das Ergebnis einer Handicap-relevanten Runde wird in den „Score Differential“ umgerechnet und in Ihrem Scoring Record (ehemals Stammblatt) gespeichert. Der Score Differential ist notwendig, um aus jeder Handicap-relevanten Runde einen vergleichbaren Wert ermitteln zu können. Dieser Wert entspricht in etwa der Anzahl an Schlägen über Par. Da die Schwierigkeit des Platzes in die Berechnung mit einfließt, weicht er allerdings etwas davon ab. Je besser die gespielte Runde, desto niedriger ist der Score Differential. Die genaue Formel zur Berechnung erspare ich Ihnen an dieser Stelle, da sie wohl nur für mehr Vewirrung sorgt. Während mit dem WHI die wahre Spielstärke deutlich besser abgebildet wird, ist als Nachteil die mangelnde Transparenz anzuführen. Für den Golfer wird meist erst am Abend nach dem Turnier im Internet in seinem Stammblatt die genaue Auswirkung der gespielten Runde auf die Vorgabe ersichtlich. Nicht einmal eine App wird diesen Prozess für den einzelnen Golfer beschleunigen. Dafür sorgt die in diesem Jahr eingeführte Anpassung der Scores an Witterungsbedingungen und den Platzzustand (früher CSA/CBA) je nach Differenz der tatsächlich erspielten Turnierergebnisse im Vergleich zu den durchschnittlich statistisch errechnet zu erwartenden Scores.
Wahre Spielstärke
Diese Komplexität und mangelnde Transparenz ist auch einer der meistgehörten Kritikpunkte bei den Hobbygolfern an dem neuen World Handicap Index. Wusste man früher unter dem EGA-Vorgabesystem relativ genau, wie viel Zehntel man sich pro Schlag nach unten spielt, und wenn man die Pufferzone verpasste, ging es automatisch ein Zehntel nach oben. Das war zwar einfach, entsprach aber nur im Ansatz der wahren momentanen Spielstärke eines Golfers. Man nehme etwa als Beispiel einen fiktiven Spieler, der vor ein paar Jahren einmal eine Traumrunde absolvierte und seitdem nicht mehr so oft dem Sport nachging. Er verfügte über ein Handicap, das er einfach nicht mehr erreichen konnte. Was war der Effekt? Dieser Spieler vermied es in der Folge, vorgabewirksame Turniere zu spielen, um ja nicht sein Handicap zu verschlechtern. Denn eine schlechtere Spielvorgabe wird hierzulande gleichgesetzt mit der Auffassung, man sei ein minderer Golfer.
Überzogener Status
Und damit treffen wir nun das Problem wohl im Kern: das Handicap als völlig überzogenes Statussymbol! An dieser Stelle muss in aller Deutlichkeit erwähnt werden, dass das Handicap kein Golf-Statussymbol ist. Es gibt lediglich an, wie gut ein Spieler ist – und zwar unabhängig von den Spielstärken anderer Golfer. Gemessen wird dies stets an der eigenen Leistung. Das Handicap bringt in Wahrheit Golfer zusammen. Spieler mit einem schlechteren Handicap können problemlos mit einem besseren Spieler auf die Runde gehen und diesen sogar besiegen.
Keine Angst
Liegt es gar an der Handicap-Mentalität im deutschsprachigen Raum? Während in den USA die Frage nach dem aktuellen Handicap mit „Ich schieße zwischen 80 und 90 Schlägen“ beantwortet wird, kann man sich sicher sein, dass der Deutsche oder Österreicher seine exakte Vorgabe, z.B. 16,3, parat haben wird. Seien wir ehrlich: So ziemlich niemand von uns wird mit dem Golfspiel seinen Lebensunterhalt verdienen. Es ist immer noch eine Freizeitbeschäftigung und die wohl schönste Nebensache der Welt. Haben Sie daher Spaß auf der Runde und machen Sie sich keinen Kopf über das Handicap. Der World Handicap Index marginalisiert die Bedeutung als Statussymbol eines Golfers und spiegelt einzig und allein die aktuelle Spielfähigkeit wider, sodass ein fairer internationaler Vergleich ermöglicht wird.
Fazit: keine Angst vor dem Handicap, keine Angst vor Turnieren und auch keine Angst davor, mit einem besseren Golfer auf die Runde zu gehen. Nutzen Sie es lieber als eine Art Chance, daraus zu lernen.
Medianachweis: Sportcomm/Getty Images