Viel Freud, viel Leid

Im Duell mit Rory McIlroy steht Bryson DeChambeau am Ende als strahlender Sieger da, während der Nordire ganz bitter scheitert.

Ganze 25 Jahre nach dem denkwürdigen Sieg von Payne Stewart haben die United States Open auf dem Layout von Pinehurst Nr. 2 in Sachen Drama dieses Jahr noch mal eine Schippe draufgelegt. Das Duell zwischen Rory McIlroy und Bryson DeChambeau hatte wirklich alles, was man sich als Fan in Sachen Golfspektakel wünschen kann. Doch es war auch klar, dass am Ende einer der beiden Protagonisten nicht mit dem Pokal nach Hause fahren, sondern das berühmte Venue in North Carolina als Verlierer verlassen würde. Dass es am Ende, wie der Amerikaner so gerne sagt, „absolut heartbreaking“ werden würde, das konnte zum Start der Finalrunde ja niemand wissen.

Wie gehabt

Doch fangen wir von vorne an. Pinehurst Nr. 2 ist nicht mehr der Platz wie vor 25 Jahren. Das ehemalige Bermudagrass Rough jenseits der Fairways ist einer Mischung aus Sand und Rispengras, „Sandsackes“ genannt, gewichen und im Nachhinein kann man sagen, dass Schläge in eben dieses meistens nicht annähernd so bestraft wurden wie vor 25 Jahren. Es ist ja bekannt, das der Ausrichter der US Open, die USGA, Wert darauf legt, das Turnier recht knifflig zu gestalten und ein Score von Even Par nach vier Runden in der Vergangenheit auch schon mal locker zum Sieg gereicht hat. Diesmal wäre man mit Par geteilter Neunter geworden – in den roten Bereich, also unter Par, schafften es also fast schon wie gewünscht nur acht Spieler. 

Glory for Rory?

Einer davon war Rory McIlroy, der seit nun mehr als einer Dekade seinem fünften Majortitel hinterherläuft. Und dabei war der Nordire schon so nah dran am nächsten großen Wurf. Bei der Open Championship 2022 in St. Andrews ging er als geteilter Führender in die Finalrunde, traf alle Grüns in Regulation und musste wegen magerer Puttausbeute am Ende Cam Smith den Vortritt lassen. Im vergangenen Jahr fehlte Rory nach tollem Kampf dann aber doch ein Schlag auf den späteren Sieger Wynd­ham Clark bei den US Open. Auch wenn diese „close calls“ recht bitter schienen, so sah man McIlroy gestärkt aus ihnen hervorgehen. Das Spiel um Großes zu schaffen, hat „Rory“ nach wie vor – am Ende fehlte halt auch manchmal nur ein Quäntchen Glück.

Tragischer Held

In Pinehurst spielte Rory McIlroy von Tag eins an vorne mit und wurde von den Zuschauern bei seinem Gastspiel frenetisch angefeuert. Kein anderer Europäer hat annähernd so viele Fans in den USA wie Rory und bei keinem anderen Spieler scheinen die sonst so nationalbewussten USA-Fans darüber hinwegsehen zu können, dass er keiner von ihnen ist. Rory McIlroy ist halt auch einfach eine Ausnahmeerscheinung. Er reißt die Fans mit seinem spektakulärem Spiel einfach mit, er zieht sie quasi in seinen Bann. Und als der Nordire Mitte der Finalrunde mit einer spektakulären Birdie-Serie (9, 10, 12 und 13) die Führung im Turnier übernahm, wäre wohl fast jeder Anwesende mit seinem Sieg einverstanden gewesen. 

Doch das Schicksal und die Golfgötter hatten anscheinen andere Plane, und die endeten für Rory McIlroy leider mit der bisher bittersten Niederlage seiner Karriere. Ob es am Ende die Nerven waren oder die zum Teil etwas fragwürdige Schlägerwahl und Strategie auf den letzten vier Bahnen, auf diese Fragen gibt es bisher noch keine Antworten. Denn als Rory nach drei Bogeys (15, 16 und 18) seinen fünften Majorsieg in den Augen der meisten Experten quasi verschenkt hatte, ging er zu seinem Auto und verließ das Gelände. Keine Interviews, keine Gratulation an den Sieger, Rory McIlroy war einfach weg. Zu sehr schmerzten ihn in diesem Moment wohl noch die beiden aus knapp einen Meter vergebenen Par-Putts an der 16 und 18. 496 von 496 Versuchen aus dieser Distanz hatte der Nordire in dieser Saison zuvor verwandelt, nicht auszumalen, was in ihm vorgegangen sein muss. 


Der wohl bitterste Moment in Rory McIlroys Karriere: Aus kürzester Distanz vergibt der Nordire seinen Parversuch auf dem letzten Grün.

Der Strahlemann

Was im Sieger vorging, als der den Putt zum Sieg aus der „McIlroy“-Distanz verwandelte, konnten die Fans in Pinehurst und an den Fernsehen sehr wohl sehen. Es waren pure Emotionen,  denen Bryson DeChambeau nach seinem zweiten US-Open-Titel freien Lauf ließ. Was hat der, sagen wir auch mal ganz ehrlich, echt schräge Typ nicht in den letzten Jahren alles über sich ergehen lassen müssen? Ob seiner Leidenschaft gegen den Strom zu schwimmen als verrückter Professor abgestempelt, wurde Bryson zumeist belächelt. Als wären der Ausflug ins Longdrive-Lager, Bälle im Salzbad, komische Putterhaltung und selbstgebaute Schläger nicht schon genug, wurde DeChambeau nach seinem Abgang zu LIV-Golf quasi als „Persona non grata“ abgestempelt. 

Ich mache mein Ding

Doch das Schöne an Bryson DeChambeau ist: Es war ihm schlicht egal. Er ging völlig unbeirrt seinen Weg, machte einen eigenen YouTube-Kanal auf und spielte mit den bekanntesten Stars aus der Szene. Er gab viele, viele Insides in sein Spiel und zeigte auf und neben dem Platz jede Menge Emotionen. In Pinehurst gab Bryson den Fans gefühlt mehr Autogramme als der Rest des Feldes zusammen. Er stand für Selfies parat, ließ sich etwas einfallen und interagierte sogar während der Runden mit dem Publikum. Als er am Samstag auf dem Anschlag der 13. (Par 4, 340 Meter) mit seinem Caddie darüber diskutierte, das Grün mit dem Driver anzugreifen, waren die Zuschauer total aus dem Häuschen. „Ich habe es mir anders überlegt, ich werde vorlegen, bitte buht mich jetzt nicht aus“, waren wenig später seine Worte, die ihm viele Lacher einbrachten. Diese ungewohnte Fannnähe gepaart mit seinem wirklich spektakulären Spiel machte Bryson zum Fan-Favorite und zur Nummer eins bei den Lokalmatadoren. Okay, wenn man im eigenen Lager Patrick Cantlay als engsten Verfolger hat, ist das auch nicht gerade schwer. 

Schlag des Turniers

Trotzdem galt es für den Amerikaner, seine Führung am Finaltag noch zu verteidigen und das Ding ins Ziel zu retten. Es war nicht Brysons bester Golftag an diesem Sonntag, der aber auch dank Rory McIlroys absolutem Zusammenbruch für Bryson noch ein gutes Ende fand. Sein dritter Schlag aus 50 Metern aufs Grün der 18 bis auf einen Meter an die Fahne wird nicht nur den Fans sicher noch eine Weile in Erinnerung bleiben. „Ich bin so glücklich, dieses Up-and-Down an der 18 geschafft zu haben. Ich wollte nicht wie vor ein paar Wochen bei der PGA Championship schon wieder Zweiter werden. Das hat echt weh getan“, so Bryson über seinen Kunstschlag nebst Par zum Sieg auf der finalen Bahn. 

Sorry for Rory

Frenetisch von den Fans gefeiert und von seinen besten Freunden geherzt, zeigte Bryson DeChambeau im wohl bisher größten Moment seiner Karriere auch Verständnis für seinen unterlegenen Kontrahenten. „Rory ist einer der Besten, die je dieses Spiel gespielt haben. So ein Duell mit ihm für mich entschieden zu haben, ist daher umso schöner. So einen Putt wie er auf der 18 zu verschieben, ist wirklich sehr, sehr bitter. Das wünscht du wirklich niemandem“, so DeChambeau. 

„Rory wird noch einige Majors gewinnen, da bin ich mir sicher. Das Feuer in ihm brennt wieder und es wird auch weiter brennen. Ich habe großen Respekt vor seinen Spiel und, glaubt mir, als er seine Aufholjagd gestartet hat, dachte ich mir Oh-Oh! Zum Glück ist es am Ende für mich gut ausgegangen“, fügte der nun zweifache US-Open-Sieger noch hinzu. 

Ein feiner Kerl

Und als Rory McIlroy wahrscheinlich gerade im Privatflieger Richtung Heimat saß, sorgte Bryson für ein weiteres ungewöhnliches Abschluss-Highlight der diesjährigen US Open. Es war bereits dunkel, als der ehemalige Tourspieler Johnson Wagner versuchte, den Zauberschlag an der 18 für die amerikanischen TV-Kollegen von NBC nachzustellen. 

„Ich muss sagen, dieses Turnier war der Wahnsinn, der Platz, die Qualität und auch Bryson. Nach der PK kam er raus und hat Autogramme gegeben und Fotos gemacht für wirklich alle, die da waren“, so Wagner, der sein 50-Grad-Wedge aus der DeChambeau-Lage im Bunker wenig später über das Grün kloppte. 

Spiel‘s noch einmal

Und dann kam er, der frischgebackene US-Open-Sieger mit dem Pokal in der Hand, und crashte die Aufzeichnung. „50 Grad ist genau richtig, aber jetzt probier es noch einmal“, so DeChambeau, der dem sichtlich nervösen Kollegen Mut zusprach. Der Rest ist jetzt schon legendär. Wagner schlug und rief „Oh, der ist zu fett getroffen!“ „Der ist genau richtig“, antwortete Bryson und überreichte Wagner, nachdem sein Versuch nur wenige Zentimeter neben dem Loch zum Stillstand kam, kurz die Trophäe. „Stimmt es, dass du Sand aus diesem Bunker in deinen Pokal getan hast?“, fragte Johnson Wagner. „Ja, das stimmt. Dieser Sand wird mich jetzt immer begleiten und mich an meinen Sieg und diesen Schlag erinnern“, so Bryson.

Golf wird anders

Und genau das ist es, was der Golfsport  so dringend braucht, um endlich im Zeitalter des Internets anzukommen und um die Jugend für sich zu gewinnen. Es braucht Typen wie Bryson DeChambeau, die andere Wege gehen und die Menschen auch abseits des Platzes abholen. Bryson DeChambeau hat in den letzten Jahren eine wirklich gute Entwicklung durchgemacht und er vermittelt den Fans, die eine Menge Geld für so ein Turnier ausgeben, eine ganz wichtige Botschaft: Leute, ich bin einer von euch.  


Kein Wunder, dass man da strahlt. Sepp Straka erzielte bei den US Open sein erstes Ass auf der PGA Tour.

Fazit

Die US Open 2024 haben all das abgeliefert, was diesen wunderbaren Sport ausmacht. Viel Drama, Helden und jede Menge Highlights. Da seien zum Abschluss noch die Hole-in-Ones vom Freitag an Loch 9 erwähnt. Während Sepp Straka sich über sein erstes Ass auf der Tour freute, setzte Francesco Molinari sogar noch eins drauf. Denn dank seinem Kunstschlag schaffte der auf Bahn 10 gestartete Italiener quasi mit seinem letzten Schlag den Sprung ins Wochenende. 

Ein Ass für den Cut – das gab es in der langen Historie des Turnier auch noch nie.

Medianachweis: Sportcomm / Getty Images

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