Ein 18-Loch-Golfplatz misst zwischen 60 und 90 Hektar, ist also ungefähr so groß wie 50 bis 80 Fußballfelder. Die bespielte Fläche ist dabei deutlich kleiner. Abschläge, Greens und Fairways machen insgesamt in der Regel ein Viertel der Fläche aus. Der Rest wird zumindest nicht absichtlich eher nicht bespielt und besteht bekanntlich aus Roughs, Bunkern, also mehrheitlich schlichtweg Natur. Dieser kommt eine wichtige Rolle zu. Denn laut einer 2021 veröffentlichten Studie wird der Klimawandel in Regionen, in denen viele verschiedene Tier- und Pflanzenarten leben, großen Schaden anrichten: Bei einer Erderwärmung um mehr als drei Grad Celsius sind demnach ein Drittel (34 Prozent) der auf dem Land lebenden endemischen Arten vom Aussterben bedroht. „Wir könnten tatsächlich den Beginn des sechsten Massenaussterbens beobachten“, schreiben Wissenschaftler Anfang 2022. Es gilt also einiges dagegen zu tun und auch Golfplätze mit ihren erwähnt großen naturbelassenen Flächen, zumeist nicht unweit von stark versiegelten Ballungsräumen gelegen, haben einen Auftrag. In einer Beschreibung von „Lebensraum Golfplatz“, einer Initiative des Baden-Württembergischen Golfverbandes in Kooperation mit dem Deutschen Golf Verband und dem Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg, heißt es etwa: Pflanzen und Tiere sind an ihre Umgebung und die dortigen Lebensbedingungen angepasst. Dazu gehören neben der standörtlichen Lage, dem vorhandenen Ausgangsgestein und den herrschenden Klimabedingungen auch die jeweilige Nutzung und Bewirtschaftung. Angepasst an das Umfeld des jeweiligen Golfplatzes können Pflanzen und Tiere leben, gedeihen und sich vermehren.
Lebensräume
Auf gut angelegten Golfplätzen befinden sich laut der Initiative viele unterschiedliche Lebensräume und sie werden in aller Regel entsprechend entwickelt, gepflegt und erhalten. Es gibt extensiv genutzte Wiesen, die die Fairways begleiten. Es gibt Wälder, Hecken oder Totholzhaufen, die Kleintieren oder Niederwild Unterschlupf bieten. Trockenmauern oder Lesesteinhaufen sind Lebensraum für Reptilien oder Amphibien. Einzelbäume sind nicht nur charakteristisch für Parklandschaften, sie bieten Schatten und gestalten die Landschaft ganz wesentlich. Teiche und Wasserläufe bieten Tieren und Pflanzen bei entsprechender Pflege hervorragende Lebensbedingungen. Diese gesamte Natur kann in Summe auch in großer Menge CO2 speichern und ist daher ein wichtiges Element im Klimawandel. Es entstehen also Lebensräume. Seltene oder sogar sehr seltene Pflanzen werden üblicherweise in der sogenannten „Roten Liste“ für gefährdete Pflanzen geführt. Auf vielen Golfplätzen können sich solche Pflanzen ungestört entwickeln und einige Plätze weisen sogar mehr als zehn verschiedener solcher Pflanzen auf, die in der restlichen Landschaft eher sehr selten sind. Die Tierwelt auf der Golfanlage ist sehr vielfältig, die Tierarten sind abhängig vom Standort, von der Form und Bewirtschaftung der Anlage und damit vom Nahrungsangebot.
Biodiversität
Das Denken an morgen ist also auch ein Auftrag an Golfclubs, so auch für den GC St. Leon-Rot. „Nachhaltigkeit ist für uns ein entscheidendes Thema, denn unsere Anlage umfasst rund 200 Hektar, darunter auch öffentliche Wanderwege“, erklärte beispielsweise Geschäftsführer Eicko Schulz-Hanßen in einem Interview. So wurden etwa auf der Anlage über 200 Obstbäume gepflanzt und Bienenhotels angelegt. Da die Anlage die gesamte Nahrungskette in ihrer Artenvielfalt abbildet und es auch Eisvögel, Springfrösche, Dachse, Füchse und Wildschweine gebe, mähe man zudem nicht überall: „Wer hier Golf spielt, trägt dazu bei, dass unsere 200-Hektar-Anlage eine bessere Biodiversitätsoase ist als zum Beispiel ein landwirtschaftliches Nutzfeld. Inzwischen hat auch die Politik erkannt, dass wir zum Thema Biodiversität ein Goldschatz sind.“ Doch nicht nur in Baden-Württemberg macht man sich über Biodiversität Gedanken.
Blühpakt-Allianz
Auch in Bayern hat der dortige Golfverband mit der Blühpakt-Allianz eine Initiative gestartet, um dem dramatischen Insektensterben Einhalt zu gebieten. Ziel ist es, auf 30 Prozent der Fläche eines Golfplatzes neue Lebensräume für Insekten zu schaffen. Dazu legen die Golfplätze einen Mix aus gebietsheimischen Wiesenblumen, Stauden, Sträuchern und Gehölzern als Nektar- und Pollenspender an. Hinzu kommen Wasserflächen, offene Bodenstellen, Totholz und Insektennisthilfen. Nach einem abgestimmten Pflegeplan bleiben Ruhe- und Überwinterungsflächen an bestimmten Bereichen der Golfplätze erhalten. Auf einer Gesamtfläche von mehr als 10.000 Hektar sind in Bayern auch durch das freiwillige Qualitätsmanagementprogramm Golf & Natur im Laufe der Zeit und außerhalb der verhältnismäßig kleinen Spielfläche große Flächen der Artenvielfalt entstanden.
Eigenverantwortung
Dass es nicht immer große und geförderte Projekte braucht, um die Zeichen der Zeit zu erkennen, illustriert ein Beispiel aus Österreich. Der Leading Golf Course Seefeld in Tirol weiß: „Es werden rund 50 Hektar unserer Golfplatzfläche nicht bespielt und bilden einen wertvollen Lebensraum für bedrohte Tier- und Pflanzenarten.“ Das sagt Club-Präsidentin Andrea Hoch-Sarnthein und ist stolz, dass es dem GC Seefeld-Wildmoos gelungen, ist, das Projekt über Förder- und Sponsorengelder komplett zu finanzieren. Es soll nun mehrere Jahre laufen. Zudem hat der Club die Förderpakete Gold und Silber für 1.800 und 900 Euro aufgelegt, in deren Rahmen sich Sponsoren in das Projekt Artenvielfalt einbringen können. Jakob Moncher, Platzwart des GC Seefeld Wildmoos, wurde dazu so zitiert: „Wenn man schon die Natur beansprucht, wie wir das eben auch beim Golf tun, dann hat man auch eine gewisse Verpflichtung. Wir versuchen einen Weg zu skizzieren, wie Golfer und die Umwelt in Symbiose existieren können.“ All diese Beispiele zeigen, dass es der Golfsport ernst nimmt, wenn es um das Thema Nachhaltigkeit bzw. Biodiversität geht, sei es in Deutschland oder auch in Österreich. Das freut dann Menschen, Flora und Fauna.
Medianachweis: Sportcomm/Getty Images