Historische Open 

Nach dem Sieg bei der John Deere Classic schreibt Sepp Straka mit dem geteilten zweiten Platz bei der Open in Royal Liverpool weiter Golfgeschiche.

Das letzte Major des Jahres, die 151. Auflage der Open Championship in Royal Liverpool, lieferte wieder jede Menge Geschichten und hatte am Ende mit Brian Harman einen Überraschungssieger zu bieten. Der 36-jährige US-Amerikaner, der mit 1,70 Meter Körpergröße der kleinste Spieler auf der PGA Tour ist, musste sich am Finaltag nicht nur mit widrigsten Wetterbedingungen herumschlagen, sondern hatte auch die englischen Fans gegen sich, die ihren Lokalmatador Tommy Fleetwood oder Publikumsliebling Rory McIlroy zum Sieg treiben wollten. Doch Harman blieb cool und krönte sich mit fokussiertem Spiel und genialen Putts zum „Champion Golfer of the Year“.

Weiterer Meilenstein

Mit sechs Schlägen Rückstand teilten Jon Rahm, Jason Day, Tom Kim und Sepp Straka den zweiten Platz. Für den Österreicher Straka war dies ein weiterer Meilenstein in seiner Karriere, der damit wieder einmal rot-weiß-rote­ Golfgeschichte schrieb. Erst kürzlich schaffte der gebürtige Wiener bei der PGA Championship im Mai mit Platz 7 die bis dato beste Major-Platzierung eines Österreichers, nur um diese wenige Wochen später nun in Hoylake erneut zu pulverisieren. Dazwischen lag auch noch als Draufgabe sein zweiter PGA- Tour-Titel bei der John Deere Classic, wodurch sich schon andeutete, dass seine Formkurve in die richtige Richtung zeigte. „Ich bin sehr glücklich mit der Woche hier“, so Straka im Anschluss an seinen zweiten Platz in Hoy­lake. „Mit Links-Golf hatte ich in der Vergangenheit nicht besonders viel Erfolg und auch wenig Erfahrung. Es ist toll, dass ich mein bestes Spiel nun auf Links-Golf übertragen und Erfahrung sammeln konnte. Ich freue mich wirklich, eine so gute Woche hier abgeliefert zu haben.“ Straka­ fühlt sich ganz offensichtlich bei den großen Events immer ­wohler, was die beiden Top-Ten-Platzierungen bei Majors in diesem Jahr unterstreichen. „Das ist wirklich der erste Erfolg, den ich in meiner Karriere bei den Majors hatte“, erklärte Straka. „Ich denke, mein Ballstriking hat sich im letzten Jahr stark verbessert. Es ist etwas konstanter geworden, sodass ich noch öfter mein bestes Spiel zeigen konnte.“

Ryder Cup wohl fix

Auch wenn der 30-jährige Austro­amerikaner noch nicht zu den sechs fix qualifizierten Spielern für das europäische Ryder-Cup-Team zählt, scheint zumindest eine der sechs zu vergebenden Wildcards eigentlich nur noch eine Formalität. „Ich habe das Gefühl, dass mein Spiel gut läuft. Ich habe noch ein paar Turniermonate vor mir, um das gute Spiel zu nutzen, und ich hoffe, dass es mir gelingt, dabei zu sein“, bleibt Straka, der natürlich nur allzu gerne diesen September in Rom mit von der Partie wäre, aber weiter am Boden. „Ich möchte dabei sein und hoffe, dass ich das mit meinem Golf zeigen kann. Es wäre riesig, geradezu atemberaubend. In den letzten anderthalb Jahren war es auf meinem Schirm und ein großes Ziel von mir. Ich würde mich wirklich freuen, eine Chance zu bekommen.“ Straka stand in der Open-Woche auch mit Europas Ryder-Cup-Kapitän Luke Donald in Kontakt. „Ja, er hat mir erzählt, dass ich schon seit einiger Zeit auf seinem Radar bin, und ich hoffe, dass ich in den nächsten Monaten weiter gut spielen werde und ihm die Entscheidung erleichtern kann.“

Von Wien nach Georgia

Doch beleuchten wir ein wenig die Anfänge und den Weg von Sepp Straka in die Weltspitze. Die amerikanische Mutter Mary betreute Anfang der 1990er-Jahre im Golf Club Gut Altentann vor den Toren Salzburgs den Pro-Shop, als der Wiener Architekt Peter Straka zur Tür hereinkam und bei ihr einen Handschuh kaufte. Die beiden verliebten sich ineinander und zogen in der Folge nach Wien. Am 1. Mai 1993 kamen die beiden Zwillinge Sam und Josef zur Welt. Schon nach kurzer Zeit riefen alle Josef nach dem in Österreich gängigen Spitznamen „Sepp“. Sepp und Sam wuchsen sportverrückt auf, wobei zunächst Fußball dominierte. Sepp spielte die Position des Torhüters (sein Vorbild war der ehema­lige Rapid-Wien­-Keeper Helge Peyer), Sam gab den Stürmer. Als 1996 der Fontana Golf Club in Oberwaltersdorf seine Pforten öffnete, übernahm Mutter Mary dort den Pro-Shop. Im Zuge eines Sommercamps in Fontana kamen Sepp und Sam erstmals mit dem Golfsport in Berührung, und vor allem Sam war es, der darauf drängte, nun vermehrt dem weißen Ball nachzujagen. Die beiden wurden immer besser, und 2007 beschloss die Familie Straka, ihren Lebensmittelpunkt in die USA zu verlegen. Mutter Mary stammt aus dem südlichen Teil des US-Bundes­staats Georgia und so übersiedelten die Straka-Zwillinge im Alter von 14 Jahren von Vienna, Austria, nach Valdosta, Georgia. Für Sepp und Sam war dies eine große Umstellung in ihrem Leben, jedoch half den beiden, zweisprachig aufgewachsen zu sein, und so fanden sie sich bereits nach kurzer Zeit bestens zurecht.

Sepp Straka gemeinsam mit Zwillingsbruder Sam bei Olympia 2021 in Tokio.

College-Erfolge

Sam galt lange Zeit als der erfolgreichere der beiden Zwillinge und wurde rasch von den Universitäten umworben. Er entschied sich schließlich für die University of Georgia, jedoch nur unter der Vorgabe, dass auch sein Bruder Sepp einen Platz im Team bekam. Die ­Georgia Bulldogs gaben ihr Einverständnis, und so gingen die ­Strakas fortan für die Kaderschmiede in Athens, Georgia, auf Birdiejagd. Auf dem College drehte sich dann plötzlich die sportliche Fortune der beiden Zwillinge. Sepp machte einen Riesensprung in der Entwicklung seines Spiels, und nach fünf Jahren Universität, die er mit einem Abschluss in Business Management beendete, folgte 2016 der Sprung ins Profilager. Sam hingegen kehrte dem Wettkampfgolf den Rücken und ist heute als Immobilienmakler in Georgia erfolgreich tätig. Die beiden Zwillinge könnten übrigens kaum unterschiedlicher sein und ergänzen sich dennoch auf geradezu perfekte Weise. „Wir sind in fast jeder Hinsicht sehr unterschiedlich“, sagt Sepp. „Sam ist irgendwie laut und kontaktfreudig, und ich bin eher introvertiert.“ „Ich bin zwei wichtige Minuten älter als er, also bin ich älter und weiser“, scherzt Sam, der angeblich im Vorhinein fühlen kann, wenn Sepp einen guten oder schlechten Schlag macht. 

Erlebnis Olympia

Für Sepp Straka ging jedenfalls der sportliche Weg nach dem College weiter steil bergauf. Der Longhitter gewann 2018 auf der Web.com Tour (der heutigen Korn Ferry Tour) seinen ersten Profi-Titel und schaffte im selben Jahr noch den Aufstieg auf die PGA Tour. Dort etablierte sich Sepp zusehends, bevor im Sommer 2021 bei den Olympischen Sommerspielen ein weiteres Highlight anstand. Sam ging für seinen Bruder Sepp in Tokio als Caddie – ein unvergessliches Erlebnis für die beiden. „Wir hatten eine tolle Zeit“, so Sam. „Sepp startete mit einer traumhaften 9-unter-Par-Runde. Ich musste einfach nur mithalten und ihm einen Schläger reichen. So gut habe ich ihn überhaupt noch nie putten gesehen.“ Zwar wurde es am Ende nichts mit Edelmetall (Platz 10), doch die Erinnerungen bleiben für immer erhalten.

Der Durchbruch

Im Februar 2022 gelang dann Sepp Strakas großer Durchbruch. Mit dem Sieg bei der Honda Classic in Palm Beach schrieb er als erster österreichischer PGA-Tour-Champion Sportgeschichte. Beim ersten Turnier der FedEx Cup Playoffs 2022, der FedEx
St. Jude Championship, sorgte er erneut für Aufsehen und musste sich am Ende erst im Stechen Will Zalatoris geschlagen geben. Nach einem eher langsamen Start ins neue Jahr lief Sepp Straka in den letzten Wochen wieder zur Hochform auf und schaffte wie schon erwähnt mit dem Sieg bei der John Deere Classic seinen zweiten Titel auf der PGA Tour. Momentan rangiert er auf Rang 24 in der Weltrangliste (bei Redaktionsschluss, Anm.) mit Tendenz nach oben. Und wäre Brian Harman nicht gewesen, hätte er vielleicht sogar jetzt einen Major-Titel in der Tasche …

Rorys Major-Flaute

Damit noch einmal zurück zur Open Championship, wo die großen Stars, allen voran Rory McIlroy, einmal mehr den Kürzeren zogen. Der nordirische Superstar schaffte mit Platz 6 zwar wieder eine Top-Ten-Platzierung, mit dem heiß ersehnten fünften Major-Sieg wurde es aber wieder nichts. Damit liegen Mc­Ilroys letzte beiden Major-Siege (The Open und PGA Championship, beide 2014) in der neuen Saison dann bereits zehn Jahre zurück. „Jedes Mal oder meis­tens, wenn ich abschlage, bin ich vorne mit dabei“, erklärte McIlroy.­ „Ich kann nicht hier sitzen und zu frustriert sein. Mein Spiel ist, wenn man an meine Leistungen bei den Majors zwischen 2016 und 2019 denkt, viel besser. Ich blicke optimistisch in die Zukunft und muss einfach weitermachen.“

Strakas Marsch gemeinsam mit Lokalmatador Tommy Fleetwood im Merseyside-Regen zum geschichtsträchtigen zweiten Platz bei der Open Championship 2023.

Harman hat „Steine“

Für Brian Harman hingegen erfüllte sich mit dem ersten Major-Titel ein lang gehegter Traum. Und das, obwohl er sich so manche fiesen Kommentare der Fans anhören musste. „Nachdem ich gestern das zweite Bogey gemacht hatte, sagte ein Typ, als ich an ihm vorbeikam: ‚Harman, du hast nicht die Steine dafür.‘ Das hat geholfen“, meinte Harman auf der Sieger-Pressekonferenz mit einem Lächeln. „Es hat mir geholfen, mich zu besinnen, dass ich gut genug bin, um das zu schaffen. Ich sagte mir, ich werde meine Prozesse weiter durchlaufen, und der nächste Schlag wird gut sein. Ich wusste, dass ich irgendwann schlechte Schläge machen werde. Allein das Wetter und das Szenario würden dazu führen. Ich wusste aber auch, dass die Art und Weise, wie ich darauf reagiere, darüber entscheiden wird, ob ich jetzt hier sitze oder nicht.“ Er war auch den Fans nicht nachtragend: „Fleetwood und Rory waren vorne mit dabei. Das ist in Ordnung. Jeder hat sein Team, dem er die Daumen drückt. Ja, ich habe die Rufe gehört, aber wenn sie wollten, dass ich nicht gut spiele, hätten sie wirklich nett zu mir sein sollen.“

Der „Champion Golfer of the Year“: Brian Harman, 35, gebürtig aus Savannah, Georgia, mit dem Claret Jug.

Titel-Jäger

Der leidenschaftliche Bogenjäger bekam vom englischen Boulevard in der Open-Woche ob seines kontroversiellen Hobbys den wenig schmeichelhaften Spitznamen „Butcher of Hoylake“, also sinngemäß „der Schlächter von Hoy­lake“, verpasst. Doch auch hier blieb Harman entspannt. Er jage nur ausgewachsene Tiere und betonte, dass keines der Tiere verschwendet wird. „Ich esse gerne Fleisch und töte ein Tier, das sein ganzes Leben lang frei herumgelaufen ist und sowieso bald sterben wird. Und ich schlachte es selbst, und dann esse ich es oder ich gebe es jemandem zum Essen. Für mich ist es der ultimative Respekt für unsere Position in der Nahrungskette.“

Und wie wird er diesen Golf­triumph feiern? „Wenn ich nach Hause komme, werde ich mit meinem neuen Traktor Gras mähen“, strahlte er. „Ich werde einfach mein Handy weglegen und mich auf den Traktor setzen.“ 

Medianachweis: Getty Images / Sportcomm gmbh, IGF

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