Im Gegensatz zu einem anderen bekannten Golf-Protagonisten der Stanford University (Sie wissen schon, wer …) sagte Rose Zhang bei ihrer ersten Pressekonferenz als Profi nicht „Hallo, Welt“. Das war auch nicht nötig, denn gerade erst gewann sie ihren zweiten NCAA-Titel (Einzeltitel im US-Collegejahr) und beendete damit standesgemäß das letzte Kapitel der wohl besten Amateurkarriere in der Geschichte des Damengolfsports. Und im Gegensatz zu Tiger Woods (ja, genau der …) landete Zhang bei ihrem Profidebüt nicht auf einem geteilten 60. Platz.
Am Sonntag, dem 4. Juni 2023, gewann Zhang die Mizuho Americas Open auf dem Liberty National Golf Course mit Blick auf die Skyline von New York City. Es fühlte sich wie ein monumentaler historischer Moment an, als Zhang am zweiten Playoff-Loch ihre Landsfrau Jennifer Kupcho besiegte. Die letzte LPGA-Spielerin, die ihre Karriere mit einem Sieg begann, war Beverly Hanson, Gewinnerin der Eastern Open 1951. Zweiundfünfzig Jahre vor Zhangs Geburt.
Nancy Lopez hat ihren ersten LPGA-Start nicht gewonnen. Annika Sorenstam auch nicht. Oder Se Ri Pak, Michelle Wie oder Nelly Korda. „Was passiert da? Ich kann es einfach nicht glauben“, sagte Zhang unmittelbar nach ihrem Sieg zu Golf Channel. „Erst letzte Woche habe ich mit meinen Teamkollegen die NCAA gewonnen.“
Vom College zur LPGA
Zhang gewann tatsächlich gerade eine Woche zuvor erst ihren zweiten individuellen NCAA-Titel in Scottsdale, Arizona, für Stanford – keine Frau hatte zuvor zwei Titel gewonnen, und sie schaffte es hintereinander –, wurde dann Profi, reiste durch das Land und benötigte in ihrer ersten Runde als Proette gerade einmal 70 Schläge. Das alleine war schon eine schöne Geschichte. Allerdings ließ Zhang Runden von 69 und 66 Schlägen folgen und übernahm damit die alleinige Führung vor der Finalrunde am Sonntag.
Sieg im stechen
Dort präsentierte sich Rose als ein Mensch, spielte solide, aber schaffte kein einziges Birdie und musste sich mit einer 2-über-Par (74)-Runde begnügen. Mit einem Bogey am letzten Loch öffnete die lange als sichere Siegerin aussehende Zhang noch einmal die Türe und sorgte so dafür, dass ein Stechen über den Sieg bei der Mizuho Americas Open entscheiden musste.
Sollte dies nun das Ende des Märchens von Rose Zahng sein? Ihre Kontrahentin Jennifer Kupcho war selbst einst eine ausgezeichnete Amateurin, wie Zhang Siegerin beim Augusta National Women’s Amateur (Kupcho gewann 2019 die erste Auflage des prestigeträchtigen Turniers im Augusta National Golf Club), aber was in dieser Situation noch wichtiger ist, sie ist eine dreimalige LPGA-Titelträgerin mit einem Major auf ihrem Konto.
Am zweiten Extraloch schlug Zhang jedoch ein Fairway-Holz auf etwas mehr als zwei Meter an den Stock. Kupcho schmiss darauf hin die Nerven weg und verpasste das Par. Zhang hatte somit zwei Putts für den Sieg und vollendete stilgerecht. „Ich habe ehrlich gesagt nicht einmal damit gerechnet, den Cut zu schaffen, und der Grund, warum ich das sage, ist, dass ich nicht viel über meine Erwartungen nachdenke“, sagte Zhang glücklich im Anschluss an ihren historischen Triumph. „Ich habe einfach nur mein Spiel gespielt. Ich hatte eine gute Zeit da draußen. Das ist das Spiel, das ich liebe, und ich bin so dankbar dafür, es nun als Profi tun zu dürfen.“
A star is born
Muss der Rest der LPGA Tour sich jetzt fest anschnallen, um zukünftig mit Rose Zhang mithalten zu können? Auf jeden Fall verkündete die LPGA nach dem Turnier mit Stolz, dass Zhang (die bei dem Turnier nur dank einer Sponsoreneinladung am Start war) „am 4. Juni 2023 um 21.14 Uhr offiziell die Mitgliedschaft angenommen hat“. Eine weitere historische Marke, und man wird sehen, ob Rose Zhang dem Hype um sie gerecht werden kann. Namhafte Sponsoren konnte die 20-jährige Kalifornierin bereits bei ihrem Wechsel ins Profilager präsentieren. So hat sie bereits Partner wie Callaway, Adidas, Delta Airlines, East West Bank und USwing Eyewear im Boot. Für Zhang sind aber bereits weitere Sponsorenverträge in Arbeit – sie wurde im Liberty National Golf Club etwa mit einer Rolex-Uhr und Beats-by-Dre-Kopfhörern gesichtet.
Zhang sagte, dass der Übergang zum Profi-Sponsoring dank der Beziehungen, die sie zu ihren Partnern bereits in der College-Zeit früh aufgebaut hatte, sehr reibungslos verlief. Erleichtert wurde dies zudem von ihrem Beraterkreis, zu dem Familie, Freunde und auch Kevin Hopkins und das Team von Excel Sports Management gehören.
Glorreiche Zukunft
Nach oben scheinen keine Grenzen gesetzt für Zhang, die den perfekten Start in ihre Profikarriere schaffte. Und auch für die LPGA könnte Rose zum Glücksfall werden, wenn sie weiter die Damengolfszene in ihren Grundfesten erschüttert. „Hallo, Welt“, wie einst bei Tiger Woods, war bei ihrem Debüt nicht nötig. Ein vielleicht passender Ausdruck wäre jetzt: „Was kommt als Nächstes?“
Medianachweis: Sportcomm/Getty Images, ANGO, Business Wire